„Wenn ich an mein Ziel denke ist das schon mein Pluspunkt“
Es gibt viele Gründe, warum der Weg vom Krankenhaus in ein Pflegeheim führt. Zum Beispiel eine Erkrankung, die die eigene Mobilität vorübergehend einschränkt. Für Anton Bogenschütz stand diese Zwischenstation nicht im Plan. Negativ? Von wegen – dieses Wort hat er aus seinem Denken gestrichen.
„Seit Mitte Juni bin ich in der AWO in Schwenningen. Angefangen hat mein Unfalltag ganz normal, bis ich an einer Beifahrertür lehnte und mich mit einem Bekannten unterhielt und plötzlich umfiel. Das war im März. Ich kam ins Klinikum mit der Diagnose Oberschenkelhalsbruch – der in der Behandlungsfolge die Priorität eins hatte. Grund für den Sturz war ein Schlaganfall. Nach der Operation konnte ich mein Bein nicht bewegen. Und ein sehschwaches linkes Auge war die Auswirkung meines Schlaganfalls. Mir wurde erklärt, dass ich Geduld brauche und bis Ende des Jahres wieder mobiler sein werde. Ich fühle mich auch noch nicht reif für ein Pflegeheim. Klar war allerdings, dass ich die Treppen zu meiner schönen großen Wohnung nicht mehr steigen werde. Das ist schade, aber es ist nun mal so. Also verkaufte ich sie und meine vier Enkel haben sich genommen, was sie brauchten, den Rest musste der Käufer entsorgen. Ich habe nur zwei vollgepackte Koffer behalten. Natürlich ist es nicht leicht, mit der Situation klarzukommen. Bisher habe ich selbstbestimmt gelebt und plötzlich war alles anders. Ob man in ein Loch fällt? Ich bin noch nie in ein Loch gefallen, weil es das Loch nicht gibt. Wenn ich mich bejammere, hilft es nicht. Diese Einstellung zieht sich durch mein ganzes Leben. Es ist doch meine Aufgabe, mein Leben zu gestalten. Ich mache mir auch keine Sorgen um eine neue Wohnung. Eine Lösung gibt es fast immer, wenn man sich damit beschäftigt und nicht scheut, Rat bei Menschen zu holen, die mehr wissen. Ich habe jetzt Pflegestufe 3.
„Mein Ziel ist, wieder so zu leben wie vorher
Wenn das linke Auge – ich sehe damit nur hell und dunkel – nicht repariert werden kann, habe ich Pech. Dann muss das rechte Auge gut funktionieren. Ich tue sehr viel für mich selbst, Aufstehversuche von der Bettkante und am Tisch. Automatisch kommt der Versuch mit kleinen Schritten dazu. Das ist auch ein Problem der Muskulatur, die gestärkt werden muss. Die Akzeptanz für meinen Körper steuere ich über den Kopf, denn ich bin überzeugt, dass man alles geistig gut unterstützen kann. Mein Gehirn braucht ja auch was zum Tun. Ich füge mich nicht in mein Schicksal, sondern werde selbst aktiv. Auch von Geräten möchte ich nicht abhängig sein, also übe ich. Am Anfang konnte ich das rechte Bein nur fingerbreit anheben. Heute hebe ich es höher und kann es schon wieder strecken. Es ist meine Willensfrage. Dazu habe ich viele eigene Erfahrungen gesammelt. Es geht ja nicht nur um Verletzungen, sondern auch um Tagesprobleme, über die ich früher als Geschäftsführer hinwegkommen musste. Wenn es mit der Arbeit schwierig wurde, habe ich einen Spaziergang gemacht, weil ich alles durchdenken musste. Für eine Lösung fand ich einen guten Trick. Ich bin in den Wald gegangen und habe ganz laut mein Problem ausgesprochen, um es zu hören. Danach wurde es kleiner. Still verarbeitet man Probleme anders, als wenn man sie laut hört. Das funktioniert. Man muss immer Lösungen finden, sonst belastet man sich. Natürlich denke ich an meine Zukunft. Ob ich Wünsche habe? Die nützen nichts, wenn sie nicht in Erfüllung gehen, dann wird das Problem wieder größer. Voraussetzung für mein weiteres Leben ist, die Selbstständigkeit zurückzubekommen. Das überlasse ich nicht nur einem Wunsch. Mein Lebenselixier ist, alles positiv zu sehen, das Wort ’negativ‘ habe ich aus meinem Wortschatz gestrichen. Ganz klar: Ich kann nur für mich sprechen. Probleme hat man, wenn man sie in sich aufbewahrt und sie damit verstärkt. Dass ich hier eine begrenzte Zeit lebe, stand nicht auf meiner Liste, aber ich akzeptiere die Tatsache mit positiven Gedanken. Das ist mein erster Pluspunkt. Wenn ich hier im Heim wieder auf Vordermann gebracht bin, suche ich mir wieder eine neue Wohnung.“
"Für eine Lösung fand ich einen guten Trick. Ich bin in den Wald gegangen und habe ganz laut mein Problem ausgesprochen, um es zu hören."