Magazin | Einblicke
Bilder über Ausblicke und Begegnungen

Vier Fotomodelle erzählen ihre Geschichte

Der Anfang war eine ungewöhnliche Frage an die Bewohner des Kurstifts in Bad Dürrheim: Wer möchte sich auf eine abenteuerliche Idee einlassen und mit seiner Geschichte ein Teil einer Ausstellung sein? 17 wagten das Experiment und vertrauten sich dem Blick des Fotografen an. Außergewöhnliche Augenblicke und Begegnungen ihres Lebens hielt Roland Sigwart fest. Entstanden ist eine wunderbare Ausstellung mit viel Charme, die Neugier auf die Fotomodelle weckt. Vier von ihnen lernten wir kennen.

Lothar Wehrle (83) und Fenja (9): „Ohne Fenja wären wir nicht hier eingezogen“
„Ich hatte mehrere Schlaganfälle, und als meine Frau auch noch krank wurde und nicht mehr alles allein versorgen konnte, sind wir vor drei Jahren hierher gezogen. Unser Haus haben wir verkauft. Es fällt mir schwer, die totale Umgestaltung unseres ehemaligen Heims zu akzeptieren. Vieles wurde in Haus und Garten geändert. Das tut schon weh, weil wir über Bekannte einiges erfahren. Ich hänge immer noch an dem Haus. Mein Vater hat es 1939 gebaut und wir haben sehr viel daran gemacht und modernisiert. Als wir umziehen mussten, habe ich ein paar Heime angesehen. Nicht überall hätten wir unsere Fenja mitbringen können. Aber ohne Hund wären wir nicht eingezogen, sie gehört dazu. Drei Mal am Tag gehe ich mit ihr spazieren. Das Laufen tut mir gut. Der Fotograf war sehr nett, aber das Warten bei den Aufnahmen war für meinen Hund sehr anstrengend. Und ich sollte immer lachen. Ich lache gern, aber irgendwann ging es nicht mehr. Er hätte mir halt einen Witz erzählen sollen. Aber ich hab es gern gemacht. Ab uns zu bekam Fenja ein Leckerli. Hier im Haus mögen sie viele, da ist sie der King. Ich musste wegen der Höhenunterschiede auch noch neben ihr knien, das war nicht einfach, und ich war hinterher ganz schön müde. Das Bild gefällt mir so wie es ist.“

Frauke Gerken (74) und Karl Bayer (99): „Wir sind beide immer noch ein Liebespaar“
Frauke Gerken und Karl Bayer kennen sich seit 30 Jahren, wohnten gemeinsam in einem Häuschen. Zu ihrer Lebensplanung gehörte bis vor zwei Jahren kein Umzug. „Früher konnte ich mir trotz des Altersunterschiedes einen Lebensabend in einem Heim überhaupt nicht vorstellen. Ich wollte meinen Mann selbst pflegen und versorgen. Bis mich eine schwere Operation nach einer ernsten Krankheit so geschwächt hat, dass an Unterstützung nicht mehr zu denken war. Wir mussten eine Lösung finden. Auf Wunsch meines Mannes waren wir länger schon Mitglied im KWA. Zuerst haben wir hier für Carlos eine Kurzzeitpflege angenommen. Er hat sich wohl gefühlt, aber immer mit der Hoffnung, dass es mir bald besser gehen würde. Leider musste ich ihn enttäuschen und er in eine Wohnung ins Kurstift ziehen. Ich war nicht sicher, ob ich das auch will oder nicht. So blieb ich noch im Haus und besuchte ihn jeden Tag. Dann habe ich mich mal hingesetzt und aufgeschrieben, was ich unbedingt haben möchte und worauf ich verzichten müsste, wenn ich ins Kurstift ziehe. Diese Seite auf dem Papier blieb letztendlich leer. Meinem Mann bin ich sehr dankbar, dass er nie geklagt und mir Zeit gelassen hat. Von einem anfänglichen ’na ja“ sagt er jetzt, dass er gerne hier ist. Er hat mich absolut nicht beeinflusst, aber freut sich jetzt ein Loch in den Bauch, dass ich mich entschieden habe, in diesem Jahr hier einzuziehen. Mein Sohn hat mir den Hausverkauf erleichtert. Er hat es selbst genommen und ich kann den Haushalt Stück für Stück auflösen. Für die Ausstellung fühlte ich mich gar nicht angesprochen, weil ich noch nicht hier wohnte. Aber man sieht uns beide hier immer gemeinsam und sicher auch, dass Carlos und ich einfach immer noch ein Liebespaar sind und uns unheimlich gern mögen. Das Bild hat der Fotograf entschieden. Während der Ausstellung haben die Leute unsere gegenseitige Ausstrahlung auf dem Bilde gespürt und uns darauf auch angesprochen.“

Horst Cernoch (86): „Als kleiner Mensch muss man immer etwas besser sein“
„Mit meiner Frau Magda (85) wohne ich seit einem halben Jahr hier im Haus, weil wir Hilfe im Alltag brauchen. Das war immer schon unser Wunsch, wenn es notwendig wird. Als Vorsitzender eines Videoclubs habe ich Jahrzehnte lang selbst Fotoprojekte gemacht und leidenschaftlich Videos gedreht und bearbeitet. Deshalb war ich gleich begeistert, Teil dieser Ausstellung sein zu dürfen. Unsere Tochter hat uns angemeldet. Und auf die Frage nach einem außergewöhnlichen Moment oder einer bleibenden Begegnung kamen mir sofort die Spieler der WiHa-Panthers in Erinnerung. Meine Tochter ist die zweite Vorständin des Schwenninger Basketball-Vereins. Die Panthers waren oft in Schulklassen und haben sich gefragt, ob sie nicht mal ältere Leute besuchen sollten. Über meine Tochter kam die Verbindung zustande und die Spieler kamen ins KWA. Als es um die Fotos für die Ausstellung ging, hatte ich die Idee, mich mit einem Spieler fotografieren zu lassen. Dann kamen gleich vier und der größte misst 2,17 Meter. Das hat neben mir natürlich große Wirkung und uns Spaß gemacht. Ich bin es gewohnt, größere Menschen um mich zu haben. Das hat mich in meinem Leben durchaus beeinflusst. Ich habe in der Direktion einer Bank gearbeitet und die Erfahrung gemacht, dass man bei geringer Körpergröße immer etwas mehr machen oder besser sein muss als andere. Anstrengend war das Fotografieren für mich nicht, ich kenne das ja von meinem Hobby. Aber soll ich etwas gestehen? Ich war noch nie bei einem Panther-Spiel. Fußball, Langlauf und Tennis waren eher meine Sportarten.“

Brunhilde Weber (86): „Meine Begegnungen suche ich mir auch zu Hause“
„Für die Motive zur Ausstellung waren Augenblicke und Begegnungen gefragt. Ein Augenblick ist für mich etwas Flüchtiges. Aber ich schaue gern Menschen an und dann ist der erste Augenblick mitunter gefühlsmäßig wahnsinnig berührend. Zu den Begegnungen fielen mir meine Freunde ein, das sind die Bücher, der Zeichen- und der Schreibblock. Bücher entführen mich in andere Wissens- und Lebenswelten. Zeichen- und Schreibblock nehmen auf, was mir gerade einfällt und mich gedanklich beschäftigt. Alle tragen dazu bei, meinen Alltag sinnvoll auszufüllen. Natürlich kommen die persönlichen Begegnungen im Haus auch nicht zu kurz. Es gibt genug Angebote und verschiedene Veranstaltungen hier. Man sollte sie annehmen, denn sie sind wertvolle Helfer gegen das Gefühl des Alleinseins, der Einsamkeit. Aber die meiste Zeit bin ich in meinen vier Wänden und suche mir meine Begegnungen dort, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt und man nicht zu einseitig wird. Auch meine Schmerzen kann ich mit meinen Begegnungen gut ablenken. Nachts laufe ich manchmal rum, gucke in ein Buch, schreibe Gedichte, die ich Gedanken nenne. Als der Fotograf kam, meinte er, dass Bücher den Inhalt nicht zeigen und man bei einem Schreibblock nicht erkennen kann, was drinsteht. Also fiel die Wahl auf meinen dritten Freund, die Malerei. Eigentlich habe ich ein anderes Lieblingsbild, als in der Ausstellung zu sehen ist. Nur leider ist es nicht so farbenprächtig. Deshalb suchte der Fotograf ein anderes aus meinen Mappen aus. Früher habe ich Bauernmöbel restauriert und bemalt. Inzwischen sind viele Bilder mit Öl, Acryl und Wasserfarben entstanden. Aber zunehmend sehe ich leider schlechter und habe furchtbar Arthrose in den Fingern. Deshalb benutze ich jetzt einfache Holzstifte, male aber immer noch sehr gern.“

 

WEITERE INFORMATIONEN
KWA Kurstift Bad Dürrheim
78073 Bad Dürrheim
Telefon: (07726) 63-0
www.kwa.de

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KWA Kurstift Bad Dürrheim
78073 Bad Dürrheim
Telefon: (07726) 63-0
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Sie alle waren Fotomodelle in einer wunderbaren Ausstellung: Lothar Wehrle
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Frauke Gerken und Karl Bayer
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Horst Cernoch
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Brunhilde Weber