Magazin | Einblicke
Zwischen Spaß und Traurigkeit

Puppen durchbrechen die Stille

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Was auch immer Roger Preissler mit den Puppen anstellt, am Spaß kommt keiner vorbei: Jakob Broll (Einrichtungsleiter), Roger Preissler, Helge, das Pferd mit der „großen Lippe“, Frechdachs Rüdiger, die Bewohnerin Anneliese Dräger, die die Bande mit flotten Sprüchen zähmt, Paul der Anschmiegsame und Hausleiterin Tanja Schneckenburger (großes Bild von links).

Sie heißen Rüdiger, Paul und Helge. Was sie machen? Rüdiger ist frech und vorlaut, ein richtiger Rüpel. Paul ist verschmust, schmeichelt sich ein, ist sozusagen der Schwarm aller Schwiegermütter. Und Helge? Helge behauptet, dass er nur die Straße veräppelt, denn Helge ist ein Pferd.

Die drei übergroßen Handspielpuppen wohnen in einem Koffer und werden von Roger Preissler mehrfach in der Woche ins Heilig-Geist-Spital getragen. Roger – wie ihn die Bewohner des Alten- und Pflegeheims nennen – ist Puppenspieler und haucht den drei Puppen Leben ein. Hausleiterin Tanja Schneckenburger hatte die Idee, die Bewohner mit Beschäftigung aus ihrer Stille zu holen, zur Kommunikation anzuregen, und engagierte unter anderem auch Preissler. Das kam an und funktioniert: Menschen, die sonst kaum sprechen und wenig am Alltag teilnehmen, haben plötzlich ihre Freude, die Puppen zu berühren, zu streicheln, mit ihnen zu reden: „Bist du nett, ach wie lieb, so schön kuschelig, ach je, bist du herzig…“ Seit über drei Jahren kennt sich Roger Preissler im Heim aus, kennt die Eigenarten und Wünsche aller Bewohner und weiß genau, wie er wen mit den Puppen ansprechen kann. „Ich versuche immer in alle Wohnbereiche zu kommen. Manchmal ist das schwierig, wenn einige plötzlich viel erzählen möchten – natürlich nur den Puppen. Ich bin im ganzen Heim unterwegs, meine Figuren quatschen jeden an, je nachdem, wie die Leute drauf sind. Mal singen wir in der Singrunde mit oder schnuppern uns durch die Kräuterdüfte in der Beschäftigungsstunde. Egal was gerade gemacht wird, wir mischen uns ein und kommunizieren mit. Ich spüre schnell, wie die Stimmung ist.“ Und immer ist es der Dialog zwischen Puppen und Bewohnern. Die drei dürfen alles sagen und fragen. Selbst demente Bewohner, die im normalen Alltag teilweise schwer ansprechbar sind, reden plötzlich. Roger Preissler hat ein Gespür, was die Bewohner erwarten. „Manchmal sind Menschen aggressiv, in dem Moment schleichen wir uns langsam an, streicheln sie vorsichtig. Dann werden sie ruhiger, lassen sich auf die Puppen ein. Es kann auch mal traurig werden, wenn jemand seine Seele ausschütten möchte, was erzählen und auch weinen will. Dann lassen sich die Puppen darauf ein, geben ein Gefühl von Geborgenheit, weil sich die Menschen verstanden fühlen. Respekt und Wertschätzung sind ganz wichtig in meinem Job.“ Immer wieder gibt es neue Geschichten. Pferd Helge riskiert wieder die große Lippe und bringt die 84-jährige Anneliese Dräger – im Heim bekannt als die Frau mit viel Power – auf eine Idee: Für das Pferdle muss jetzt ein Äffle angeschafft werden.

WEITERE INFORMATIONEN

Heilig-Geist-Spital
Telefon: (07720) 8040
www.spitalfonds-villingen.de

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