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Lena (15) quietscht, wenn sie Freude hat

Prinzessinnen und Prinzen in der Sternschnuppenbande

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Lena ist beim Fotoshooting sehr geduldig.

Lena ist 15 Jahre alt, braucht Pflege und lebt in der Sternschnuppenbande gemeinsam mit sieben mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen. Lena hat – wie alle anderen auch – ein eigenes Zimmer mit einem Regal voller Kuscheltiere und Familienbildern an der Wand. Sie genießt tägliche Kuschelstunden, kann aber auch lautstark ihrem Ärger Luft machen. Weil Lena nicht sprechen kann, erzählt Daniela Heidelberg, Heilerziehungspflegerin im Wohnbereich der Sternschnuppenbande, über Lenas Leben und wie es ihr damit geht.

„In unserer großen Familie gibt es Kinder, die uns mehr brauchen als andere. Eines davon ist Lena. Ob sich ein Kind freut, traurig oder müde ist, merken wir schnell. Ich bilde mir ein, dass sich Lena freut, wenn ich komme. Aber sie kann auch anders sein – sie ist eben eine richtige kleine Prinzessin. Passt ihr etwas nicht, weint sie oder zeigt deutlich ihren Ärger. Das machen die anderen ähnlich, deshalb nennen wir alle Prinzessinnen und Prinzen. Lena sitzt nicht gern lange im Rollstuhl. Wenn es ihr zu viel wird, reckt sie sich hin und her. Dann wissen wir, sie möchte sich hinlegen, am liebsten auf große Sitzkissen oder unser Wasserbett. Fast vier Jahre hat sie in unserem Pflegeheim bei den Senioren gewohnt. Seit der Wohnbereich Sternschnuppenbande fertig ist, lebt sie mit uns zusammen. Die Kinder um sie herum tun ihr gut. Ihr gefällt das, weil wir auch Party machen und laute Fröhlichkeit herrscht. Lena spürt, wenn ihre Eltern kommen oder die beiden Omas sie zum Spazierenfahren abholen. Dann zeigt sie ihre Freude. Was sie denkt und weiß, wissen wir nicht.

„Wir können die Gefühle unserer jungen Bewohner sehr gut erkennen

Lena ist schwerstbehindert mit einem Wasserkopf auf die Welt gekommen. Weil das Ablaufsystem des Gehirnwassers nicht funktioniert, hat sie einen Stent bekommen. Ihr Lieblingstier ist ihr Kuschelhund, der sie immer begleitet. Aber wir schauen auch, dass sie Abwechslung hat, vor allem dann, wenn wir merken, dass sie fit ist und beschäftigt werden möchte. Dann bekommt sie etwas was knistert, kalt oder warm ist. Wenn sie im Sitzsack hockt, legen wir etwas zum Rascheln neben sie. Das kann sie gut greifen und erkunden. Bei Lena müssen wir kreativ sein, immer neue Anreize für sie suchen und dafür sorgen, dass ihr nicht langweilig wird. Eine Riesenfreude hat sie am Essen. Lena ist eine Herzhafte, sie mag Salami und Wassermelone, aber auch Croissants mit Streichkäse und Streichwurst. Ihre Oma bringt ihr oft Kartoffel- und Wurstsalat, schön verpackt in Gläsern. Süßigkeiten sind bei ihr nicht beliebt. Sie hat mal eine Zeit lang sehr wenig gegessen und war zu dünn. Da hat uns ihr Schnuller gut geholfen. Wir schmierten darauf immer etwas Streichwurst, damit der Reiz des Essens wieder geweckt wird. Das hat geklappt. Heute waren wir mit ihrer Mama in der Klinik und haben uns gefreut, dass die Ärztin sie gelobt hat, denn Lena hat zugenommen. Manchmal findet sie Berührungen witzig, auch wenn man sie kitzelt. Aber aus dem gleichen Grund kann sie auch explodieren – ganz nach Art einer kleinen Prinzessin.
Musik hört sie gern, vor allem die Kelly-Familie. Lena lautiert zwischendrin, als ob sie mitsingen möchte. Bei Andrea Berg und Maite Kelly geht ihr Kopf mit der Musik mit. Wenn sie zu Bett gebracht wird, machen wir ihr eine Conni-Hörspiel- oder eine Musik-CD an. Wenn die Musik leiser wird, schläft sie ein. Morgens muss sie fit sein. Lena geht wie die anderen auch in die Christy-Brown-Schule in Villingen und wird morgens abgeholt und am Nachmittag wieder gebracht. In der Schule bekommen die Kinder Mittagessen und wir packen ein Vesper ein. Lena hat auch einen Talker von der Schule. Wenn sie mal nicht in die Schule gehen kann, bekommt sie darüber Grüße geschickt und dann freut sie sich. Auf dem Talker ist auch Musik, die sie sich beliebig oft anhören kann. Heute Nachmittag hören wir mehrmals ‚Auf de schwäbsche Eisebahne‘. Lena drückt den Knopf, so oft sie es hören möchte und quietscht vor Vergnügen.
Ich bin froh, dass ich diesen schönen Beruf habe. Unsere Kinder haben wenig Möglichkeit ins Leben rauszugehen. Also bringen wir ihnen doch mit unserer Energie und Freude, mit guter Stimmung und Musik einfach das Leben in den Wohnbereich. Das ist wichtig. Wenn wir unter uns Kollegen Spaß machen und lustig schwätzen, dann überträgt sich das auf unsere Sternschnuppenbande, und wir haben alle gemeinsam eine gute Zeit.

„Natürlich wissen wir auch, dass das Leben der Kinder anders ist

Fördern und Lernen ist die eine Seite und je nach Schwere der Behinderung geht da ja auch individuell mehr oder weniger. Aber auf der anderen Seite sollen unsere Kinder und Jugendlichen bei uns auch daheim sein. Das bedeutet, sie sind lange in der Schule oder Arbeiten. Also fangen wir nicht gleich wieder an, mit ihnen zu lernen. Dann sagen wir, ihr habt Feierabend und wir genießen zusammen das miteinander Spielen. Wenn ich Arbeitsschluss habe, kommt mir meine Fahrt nach Hause zu Gute. Viel Erfahrung gibt mir mehr Sicherheit. Ich komme recht gut mit der Situation zurecht und weiß, dass ein Leben nicht unendlich ist und dass das Leben für diese Kinder anders ist. Ich habe verstanden, dass ich dafür da bin, um ihnen ihr Leben schöner und ein Stückchen lebenswerter zu gestalten. Aber ich kann es nicht retten. Wir alle geben uns Mühe, ihnen einen normalen Alltag zu geben. Unser normaler Tagesablauf ist wie überall in den Familien. Die Kinder werden morgens gerichtet, dann frühstücken wir, packen Tasche und Vesper. Um 7.30 Uhr holt der Bus die Kinder zur Schule ab und bringt sie am Nachmittag um 14.30 Uhr wieder zurück. In der Zwischenzeit richten wir ihre Zimmer und erledigen das ganze Drumherum, was notwendig für die Kinder ist. Die Jugendlichen kommen um 16.30 Uhr aus der Werkstatt. In den Ferien sind sie alle den ganzen Tag bei uns und wir machen Programm. In diesem Jahr waren wir in Kappel im Streichelzoo. Manchmal gehen wir zum Eis essen in die Stadt oder legen draußen in unserem großen Garten Picknickdecken und Sandsäcke aus. Und wenn Lena vor sich hin brummelt, wissen wir, es geht ihr gut.“ (Kontakt: www.hospizverein-vs.de)

"Die Kinder haben wenig Möglichkeit ins Leben rauszugehen. Also bringen wir ihnen doch mit unserer Energie und Freude, mit guter Stimmung und Musik einfach das Leben in den Wohnbereich."

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Daniela Heidelberg weiß genau, wie es Lena geht. „Brummeln in hohen Tönen ist okay, dann ist sie mittendrin unter den Leuten und es geht ihr gut.“