Ohne Herzblut geht das nicht
So sieht der Ruhestand des ehemaligen Schulleiters aus: täglich aktiv im Förderverein der Auto- und Uhrenwelt Schramberg. Spitze Zungen behaupten, seine Frau unterstütze ihn, damit sie ihn auch mal sieht. Und zweimal in der Woche ist mit seinem Freund schnelles Wandern angesagt. Warum Helmut Banholzer nichts von einem passiven Ruhestand hält.
»Alles fing damit an, dass der Unternehmer Martin Sauter der Stadt Schramberg eine umfangreiche Sammlung an Kleinfahrzeugen als Leihgaben angeboten hatte. Euphorisch stimmte der Gemeinderat dem Gedanken an ein tolles Museum zu. Unser Oberbürgermeister kam auf mich zu und meinte, dass jemand gebraucht werde, der Druck mache, da sonst die Eröffnung nach einem Jahr nicht zu halten sei. Für ihn war klar, dass ich genug Zeit hätte, da ich absehbar in Rente gehe. Ich fand den Gedanken spannend, übernahm die Projektleitung und habe mich mitsamt meinen Mitstreitern begeistert in das Thema gekniet. Wir verständigten uns darauf, dass die Verantwortung für das Museum dem Förderverein übertragen wird, in dem ich Vorsitzender war. Die Stadt stellte Geld und Personal zur Verfügung. Im Laufe der Jahre haben wir vier Etagen zum Thema Auto-Zeiten von 1945 bis 1970 konzipiert, Texte geschrieben, geplant und immer wieder nach frischen Ideen gesucht. Termingerecht öffneten wir die Türen und präsentierten auf 3500 Quadratmetern die Auto- und Uhrenwelt. Ich muss zugeben, dass ich ein Außenseiter war. Ich war nie Oldtimerfan und habe mit keiner Eisenbahn gespielt. Uhren waren für mich ein Gebrauchsgegenstand. Aber mir machte die neue Arbeit Spaß, sehr viel sogar. Zu Hause füllten sich meine Bücherschränke. Die für mich neue Materie ließ mich nicht mehr los. Meine Kollegen behaupten heute, ich hätte oft folgenden Spruch drauf gehabt: ›Ich habe heute Nacht schlecht geschlafen und habe mir folgendes überlegt.‹ Und dann hätte ich wieder einen Vorschlag gehabt, wie man was so oder so machen kann. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer ich durch die Etagen mit einem Meterstab gerannt bin. Vieles war Millimetersache. In der Aufbauphase wurde hinter vorgehaltener Hand geflüstert, dass meine Frau nur mitschafft, damit sie mich ab und zu sieht. Sie hat uns ganz wesentlich geholfen. Inzwischen sind sogar Puppenstuben, Puppenbetten und Kaufladen am Start, die mein akribisch genauer Schwiegervater in der Nachkriegszeit zum Spielen für meine Frau gebaut hat.
»Jetzt genieße ich, ein bisschen von außen drauf zu gucken
Nach meinen 17 Jahren ›Ruhestandserfahrungen‹ möchte ich jedem raten, der dazu in der Lage ist, sich nicht auf ein passives Rentnerleben und aufs süße Nichtstun zu freuen. Ich habe es erlebt, wenn jemand nichts mit sich anzufangen weiß. Dann geht es körperlich sehr schnell bergab. Schon nach einem Jahr sieht man den Menschen an, dass ihre körperliche Fitness abgebaut hat, sobald das Gehirn nicht mehr viel leistet. Das ist nicht erstrebenswert. Seit 17 Jahren wandere ich nach einem festen Plan mit meinem Freund zweimal in der Woche vier Stunden. Wir laufen zügig zwischen zehn und 15 Kilometer, bergauf, bergab, Sommer wie Winter. Natürlich gibt es bei mir auch den inneren Schweinehund. Aber ich spüre, wenn ich einmal draußen bin, ist alles gut. Und der eigene Stolz lässt nicht zu, dem anderen abzusagen. Wichtig sind diese festen Termine, da lasse ich mir auch nichts in den Kalender setzen.
Nach wie vor ist das Museum mein Hobby. Wir haben die Ausstellung immer weiter entwickelt, was zur Folge hat, dass wir viele Angebote bekommen, für die wir keinen Platz mehr haben. Ich bin jetzt 80. Man muss sich in meinem Alter mal zugestehen, dass es genug ist. Unser Verein hat Ende letzten Jahres die Verantwortung für das Museum an die Stadt zurückgegeben. Dadurch bin ich um vieles entlastet. Den Förderverein führe ich noch und der wird auch zukünftig das Museum finanziell unterstützen. Wir Ehrenamtliche bieten viele interessante Führungen an. Die sind spannend und dürfen nicht trockene Kost sein. Ein Augenzwinkern zu mancher Glosse gehört dazu und natürlich auch ein paar flotte Sprüche. Ein Großteil unserer Besucher sind ältere Jahrgänge, die noch den Messerschmitt, die Hamsterzeit, den Tante-Emma-Laden, einfach alles kennen, was bei uns steht. Das sind Dinge, die sie daran erinnern, dass sie mal zu ihrem Alltag gehörten. Euphorisch erzählen sie uns ihre Geschichten. Von den Besuchern bekommen wir sehr viel zurück. Wenn beispielsweise ein Adler-Fan im dritten Stock noch kein Adler-Motorrad entdeckt hat und meint, dass wir das bestimmt nicht haben. Irrtum, der freut sich dann ein Stockwerk tiefer auf seinen Traum. Oder die Frau, die vor ein paar Tagen entzückt ausrief: ›In so einem Auto hat mich mein Mann zum ersten Mal geküsst.‹ Und da waren auch die drei älteren Herren, die sich daran erinnerten, dass sie auf dem Schulhof ihres Gymnasiums das Goggomobil ihres Lehrers so nah an die Hauswand getragen haben, dass er nicht mehr wegfahren konnte. Wir machen natürlich auch Aktionen mit Kindern. Aber anders als noch vor Jahren. Die heutige Generation kann mit Puppenstuben nichts mehr anfangen, die sind denen zu einfach. Heute muss alles Mögliche drin sein, es muss blinken, piepen und fahren. Mit einfachen Dingen können die kaum spielen. Da geht meiner Meinung nach die Kreativität verloren.«
»Ich möchte jedem raten, sich nicht auf ein passives Rentnerleben zu freuen.«