Magazin | Einblicke
Sachliche und gezielte Fragen für Einsatzvorbereitungen

»Notruf 112, wo genau ist der Notfallort?«

Headerbild
Für den Notfall vorbereitet – ein Blick ins Innere eines Rettungswagens, sozusagen als kleine rollende Intensivstation für schwer erkrankte Personen.

Rettungswagen, Martinshorn, Blaulicht, Notarztfahrzeug, Hubschraubereinsatz … sachlich und unaufgeregt ermitteln Disponenten in der Leitstelle, welche dringende medizinische Unterstützung für die Rettung und Versorgung von Notfall-Patienten eingeleitet werden muss. Im Schwarzwald-Baar-Kreis hat Leitstellenleiter Dirk Sautter beeindruckende Informationen über jährliche Einsätze schwarz auf weiß:

? Wie viele Telefonate gingen im vergangenen Jahr über die Tische Ihrer Disponenten?
Insgesamt hat unsere Leitstelle 19 Personalstellen. Wir kennen die Spitzenzeiten, in denen fünf Mitarbeiter die Gespräche annehmen. Nachts genügen auch zwei Disponenten. Jeder Anruf findet bei uns schnell einen Ansprechpartner rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Der Notruf 112 klingelte 51.650 Mal, und insgesamt führten wir von hier aus 171.000 Telefonate. Unser Landkreis ist groß und reicht grob von Blumberg bis Triberg. Da braucht es viele Fahrzeuge, die nicht nur vom DRK, sondern auch von Johannitern, Maltesern und vom ASB von uns angefordert werden.

? Welche Reichweite hat die 112, kommen die Anrufe ausschließlich aus dem Landkreis?
Der Notruf 112 gilt europaweit und benötigt keine Vorwahl. Die Technik funktioniert so exakt, dass wir davon ausgehen können, dass der Notruf bis auf wenige Ausnahmen, aus unserem Landkreis erfolgt. Im Notfall schicken wir den Rettungswagen, der in kürzester Zeit vor Ort sein kann und dann das zum Notfallort nächstgelegene und geeignete Krankenhaus anfährt. Ein Beispiel ist die Außenstelle des Schwarzwald-Baar Klinikums (SBK) in Donaueschingen: Erleiden Menschen einen Schlaganfall in der Donaustadt, werden sie selbstverständlich in die Spezialklinik nach Villingen gebracht. Passiert einem Tuttlinger in Schwenningen ein Schlaganfall, fahren wir ihn nicht nach Tuttlingen, sondern bringen ihn ebenfalls nach Villingen, weil das SBK geeignet und schneller erreichbar ist. Andersherum schicken wir zu Patienten aus Weigheim den Rettungswagen aus Trossingen, der sie dann ins Schwarzwald Baar-Klinikum (SBK) bringt. Oberste Priorität hat immer die kürzeste Strecke und die geeignete medizinische Betreuung.

? Nach welchen Kriterien wird der optimale Einsatz zusammengestellt?
Uns stehen drei Fahrzeugkategorien zur Verfügung: Das Notarzteinsatzfahrzeug mit Notfallsanitäter und Notarzt an Bord, das aber keine Transportmöglichkeit hat. Je nach Notfall können wir auch einen Rettungswagen mit Notfallsanitäter und Rettungssanitäter rausschicken. Das ist eine kleine fahrende Intensivstation mit EKG-Gerät, Beatmungsgeräten und Notfallmedikamenten. Bei einem Herzanfall schreiben Notfallsanitäter bereits vor Ort ein EKG und können das bei Bedarf an die Klinik senden. Dort schaut ein Kardiologe drauf und schätzt die Dringlichkeit ein. Wir haben alles dabei, um lebensnotwendige Maßnahmen ergreifen zu können. Und der dritte Fahrzeugtyp ist der Krankentransportwagen, den Patienten bestellen können, wenn sie beispielsweise liegend in die Dialyse, zur Arztpraxis oder Reha transportiert werden müssen.

? Und wann geht der Hubschrauber an den Start?
Im Notfall kommt immer ein Rettungswagen. Wird zusätzlich ein Notarzt benötigt, kommt dieser je nach Entfernung mit dem Auto oder dem Hubschrauber. Ausschlaggebend ist wieder der Faktor Zeit. Landet ein Notarzt mit dem Hubschrauber am Einsatzort, dann entscheidet er je nach Zustand des Patienten, ob er mit diesem dringend in ein geeignetes Krankenhaus fliegen muss oder zur Betreuung und Versorgung des Patienten gemeinsam mit ihm im Rettungswagen zur Klinik fährt. Bei schweren Fällen wird vorab das Klinikum informiert, damit dort notwendige Vorbereitungen für eine sofortige Behandlung getroffen werden können.

? Steht bei Ihnen tatsächlich der einzige Hubschrauber, der nachts fliegt?
Ja, für Baden-Württemberg stimmt das. Wir haben eine Kooperation mit der Deutschen Rettungsflugwacht, die uns auch Piloten zur Verfügung stellt, die die Entscheidung zum Flug treffen, je nach Wetter und Sicht.

? Fliegt der Hubschrauber nur für Ihren Landkreis?
Nein, der Radius liegt gemessen an der Luftlinie zwischen 50 bis 60 Kilometern. Da gehören benachbarte Landkreise dazu. Die nächsten Hubschrauber um uns herum sind in Friedrichshafen, Freiburg und Stuttgart oder in der Schweiz stationiert.

? Apropos Gesprächsführung: Liegt vor Ihren Disponenten ein Fragenkatalog?
Nein, nur der erste Satz ist immer: »Notruf 112, wo genau ist der Notfallort?« Das ist nicht unhöflich knapp. Es geht um Schnelligkeit. Wir fragen, ob die Patienten bei Bewusstsein sind und die Atmung funktioniert. Kann der Patient atmen und sprechen, versuchen wir, ihn ans Telefon zu bekommen und erkundigen uns auch nach Grunderkrankungen. Einen Fragenkatalog gibt es nicht. Unser Personal ist gut geschult und stellt individuelle Fragen. Am Ende des Gesprächs sind die Rettungskräfte bereits unterwegs. Das teilen wir den Anrufern mit und bitten sie, dass sie sich nochmal melden sollten, falls sich der Zustand des Patienten bis zur Ankunft der Rettungskräfte verändert hat. Mitunter müssen wir Patienten auch erst überzeugen, dass eine Untersuchung im Krankenhaus das Beste für sie wäre.

? Welche Ausbildung haben Ihre Mitarbeiter?
Hier sitzen Notfallsanitäter, die zusätzlich zu ihrer dreijährigen Ausbildung eine Feuerwehrausbildung und eine Ausbildung zum Disponenten haben.

? Ist die Notfalldose ein wichtiger Faktor, wird danach gefragt?
Am Telefon nicht, aber draußen vor Ort erkundigen sich die Rettungskräfte nach entsprechenden Daten. Teilweise haben die Leute auch Aufkleber markant auf die Rückseite der Wohnungstür geklebt. Der Hinweis, dass die Dose im Kühlschrank stehen sollte, ist eine gute Idee, denn so etwas gibt es sicher in jedem Haushalt. Und wenn in der Dose alle Hinweise auf Medikamente und Erkrankungen zur Person stehen, ist das für die schnelle Behandlung sehr, sehr hilfreich.

? Was, wenn der Notfall keiner ist und die Menschen sich nicht sicher sind?
Unser Appell ist immer: Lieber einmal zu viel als zu wenig die Notfallnummer anrufen. Wer das Gefühl hat, dass mit einem Menschen etwas nicht stimmt oder der Patient selbst spürt, dass er Hilfe braucht, dann sollte man die 112 wählen, auch wenn man sich unsicher ist, ob es ein Notfall ist. Wir fragen auch nicht nach dem Versicherungsstatus. Schnelle Hilfe ist die oberste Priorität.

? Arbeiten Sie mit den Landkreisen Tuttlingen und Rottweil zusammen?
Selbstverständlich, aber beide haben auch eine eigene Leitstelle. Kern unserer Zusammenarbeit ist der Faktor Zeit. Unsere Computer zeigen an, ob und wo sich in der Nähe Einsatzfahrzeuge befinden. Jeder nimmt für seine Einsätze das erstbeste Fahrzeug für schnelle Hilfe. Das geht untereinander völlig unbürokratisch, egal, ob das ein Rottweiler oder Tuttlinger Kennzeichen hat. Es ist so gewollt, dass sich die umliegenden Landkreise gegenseitig unterstützen.

INFO

Zahlen zu Einsätzen, die 2023 von den Disponenten der Leitstelle im Schwarzwald-Baar-Kreis koordiniert worden:
Rettungswagen: 25.000
Notarzteinsatzfahrzeug: 7.800
Krankentransportwagen: 32.000
Hubschrauber: 1700
Feuerwehr: 2.000

Die europaweite Notrufnummer: 112 (ohne Vorwahlnummer)
Für die Anmeldung eines Krankentransportfahrzeuges für liegend transportierte Patienten: Hier gehört die Villinger Vorwahl dazu: 07721/19222

WEITERE INFORMATIONEN Integrierte Leitstelle
Schwarzwald-Baar-Kreis
Klinikstraße 22
78052 Villingen-Schwenningen
www.drk-vs.de

Sidebarbild
Leitstellenleiter Dirk Sautter
Sidebarbild
Neben dem DRK als Betreiber der Station stellt die DRF Luftrettung den Hubschrauber und den Flugbetrieb sicher. Im Bild werden die Hubschraubersysteme an der Station geladen. Im Einsatz ist ein Hubschrauber mit Fünfblattrotor.
Sidebarbild
Pilot im Cockpit des Hubschraubers.