Magazin | MutMacher
Jan Cebulla (18)

„Mit Lebensfreude ist eine Krankheit halb so wild“

„Den Wunsch zu laufen habe ich aufgegeben. Von Geburt an habe ich eine Muskelatrophie Typ 2, das heißt, ich kann nicht laufen und nicht die Beine bewegen. Meine Lunge ist schwach und wenn ich einen Infekt habe, dann oft richtig – mit Intensivstation und Krankenhaus. Das macht mich sauer, weil ich viele Wochen nichts machen kann. Natürlich werde ich mal schief angeguckt. Aber das ist normal und so, als würde ich mit pinken Haaren durch den Kurpark laufen. Was mich stört, sind Menschen, die den Respekt verlieren und denken ich bin ‚gaga‘. Zum Glück ist das selten.
Man kann ein normales Leben führen, wenn man seine Ansprüche etwas runterschraubt. Ich mache Musik – Jans Houserock –, zu sehen auf meinem eigenen Youtube-Kanal mit 30.000 Abonnenten. Mit Kumpels drehe ich Videos. Mein Wissen habe ich mir selbst im Internet angeeignet. Auf meinem Kanal unter www.simplyjan.de kann man eine Menge über mich, meine Krankheit, Musik und andere interessante Sachen sehen, lesen und hören. Ich beschäftige mich viel mit Video- und Fotografie.

Ich will Mediengestalter werden
Mein Berufsziel ist Mediengestalter für Bild und Ton. Dazu brauche ich einen zweiten Schulabschluss. Ich war bis zur neunten Klasse auf der Christy-Brown-Schule in Villingen, habe dort meinen ‚ganz normalen‘ Hauptschulabschluss gemacht. Seit einem Jahr gehe ich auf die Realschule und vieles ist anders. Meine Mutter muss mich zur Schule fahren und abholen. Ich kann nicht zum Sport mitgehen, die Klassenfahrt nach London fällt für mich aus. Aus rechtlichen Gründen muss ich mit einem Schulbegleiter in die Schule. Meiner ist super, 19 Jahre alt und macht ein Freiwilliges Soziales Jahr. Aber für die nächste Klasse bekomme ich einen neuen. Da bin ich schon sehr anspruchsvoll, denn der muss wie ich technisch fit sein. Ich kann mit dem Laptop arbeiten, nur in Mathe diktiere ich alles. Nach meinem Hauptschulabschluss hat meine Mutter empfohlen, dass ich in der Realschule noch mal mit der neunten Klasse beginnen sollte, um alles gut zu schaffen. Aber der Oberhammer ist, dass ich deshalb als Sitzenbleiber gelte. Da frage ich mich doch: Ich habe einen Abschluss, mache die Realschule freiwillig, will es für mein Berufsziel richtig gut machen, und jetzt das? Das Schulamt hat diese Entscheidung bestätigt. ‚Noch mal Sitzenbleiben‘, vielleicht durch eine längere Krankheit, kann ich mir aber nicht leisten, sonst bekomme ich keinen Abschluss. Aber ich mache mir noch keinen Stress, habe mich gut informiert und tendiere zur Ausbildung in Hamburg. Dort kenne ich einen, der das macht und die gleiche Krankheit hat wie ich. Er lebt in einer WG mit 24-Stunden-Betreuung. Der konnte nicht glauben, dass wir noch Busse mit Treppen haben. An allen U-Bahnstationen gibts dort einen Aufzug. Ich komme nicht mal nach Villingen ins Kino ohne meine Mutter. Oder: Beim Schulausflug nach Freiburg war es brutal schwierig, überhaupt in den Zug zu kommen.

Mein Leben ist nicht langweilig
Freunde habe ich eigentlich nur ’normale‘ in meiner Altersklasse, die sich auf mich einstellen, die gleiche Interessen haben, mir helfen und mit mir Sachen machen, die ich mitmachen kann. Wir treffen uns bei mir daheim oder auch viel im Jugendhaus. Dort habe ich die meisten auch kennengelernt und es haben sich tolle Freundschaften gebildet.
In Bad Dürrheim war ich als Reporter unterwegs und habe getestet, wie man mit einem Rollstuhl durch unseren Ort kommt. Für das Thema engagiere ich mich. Ich weiß noch nicht, wen ich in diesem Jahr wähle. Bei jeder Partei gibt es Vor- und Nachteile. Ich lasse mich von nix anderem beeinflussen, ich wähle die, die am meisten für Behinderte tun. Das Thema wird aber kaum angesprochen. Vielleicht bringt mich der Wahl-O-Mat im Internet weiter für meine Entscheidung.
Was ich gern machen würde, werde ich wohl nie schaffen. Auf einen Tandemsprung hätte ich richtig Bock. Aber die Höhe ist für meinen Körper ein Problem.“