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Neues Ehegattenvertretungsrecht

In Notsituation können Ehepaare füreinander entscheiden

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Ein Unfall oder eine schwere Krankheit – das kann in jedem Alter passieren. Wer dazu rechtzeitig seine Wünsche festlegen möchte, findet in den vier Broschüren alle notwendigen Hinweise.

Seit Januar 2023 gilt eine Neuregelung des Betreuungsrechts. Mit Fokus auf das neue Ehegattenvertretungsrecht beantwortet Wolfram Fackler, Geschäftsführer des Betreuungsvereins, unsere Fragen zur Gültigkeit bereits getroffener Vorsorgeregelungen und was sich mit dem neuen Recht ab Januar ändert.

Herr Fackler, bin ich auf der sicheren Seite, wenn ich Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung bereits hinterlegt habe?
Ja, die private Vorsorgevollmacht ist nach wie vor gültig. Sie beinhaltet die Antwort auf die Frage, wer kann für mich handeln, wenn ich nicht mehr handeln kann. Prinzipiell bin ich mit beiden gut ausgestattet. Die Patientenverfügung regelt meine Behandlungswünsche, wenn mir im Ernstfall keine Entscheidung möglich ist. Aber hier sollte jeder schon aus Gründen medizinischer Fortschritte seine Angaben hin und wieder überprüfen.

Was beinhaltet das neue Ehegattenvertretungsrecht?
Wenn ich aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls nicht in der Lage bin, für mich zu entscheiden und weder eine Patientenverfügung noch eine Vorsorgevollmacht habe, bietet das neue Recht Unterstützung. In einer akuten Notsituation kann mein Partner Aussagen dazu machen, welche Behandlung ich akzeptieren würde. Das ist allerdings auf maximal sechs Monate befristet und auf die Gesundheitssorge des Patienten gerichtet.

Gilt das Recht ausschließlich für Ehegatten?
Das Bundesjustizministerium hat zusammen mit der Bundesärztekammer die Rechtsvorlage erstellt, die vom Bundesrat beschlossenen wurde. Das Recht betrifft ausdrücklich eine Ehegattennotvertretung und ist laut Paragraph 1358 ausschließlich auf die gegenseitige Vertretung von miteinander verheirateten Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge begrenzt. Zur Bedingung gehört, dass beide nicht getrennt leben. Auch für Paare mit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft hat das Gesetz Gültigkeit. Ein spezielles Formular müssen Ehegatten im Vorfeld nicht ausfüllen, denn es handelt sich um ein Notfallrecht. Kinder erhalten für Eltern ohne Vorsorgeregelungen automatisch keine Verantwortung. Hier muss im Notfall der Amtsrichter prüfen und festlegen, ob die Familie Werte und Haltungen des Betroffenen kennt und Verantwortung übernehmen kann.

Welche Unterstützung können Sie als Betreuungsverein geben?
Wir empfehlen immer, sich rechtzeitig um eine eigene Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu kümmern. Dazu bieten wir als Betreuungsverein kostenlose Beratungen an. Das heißt, wir geben Hinweise, welche Situationen geregelt werden sollten. Bei uns erhalten die Leute auch Formulare, die eine Erleichterung für eigene Entscheidungen sein können. Eine Ausnahme ist die Patientenverfügung, für deren Inhalte wir ein zusätzliches Arztgespräch empfehlen. Hier sollte es – wenn Betroffene es wünschen – keinen endgültigen Ausschluss einer notwendig sinnvollen Behandlung geben. Denken wir nur an Corona. Auch hier kann eine künstliche Beatmung Leben retten. Das sollte ich berücksichtigen, wenn ich eine Maximalversorgung akzeptiere, die eine berechtigte Aussicht auf eine gute Lebensqualität gibt. Hinterlegen kann man bei uns die eigenen Vorsorgeentscheidungen nicht. Das sollte mit Vertrauenspersonen privat geschehen.

Wen kann ich informieren, dass Vorsorgeunterlagen bestehen und bei wem sie hinterlegt sind?
Empfehlen können wir eine kostenpflichtige Information an das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. (Anm. d. R. Adresse im Infokasten). Dort kann man sich als Vollmachtgeber und die bevollmächtigte Person zu seiner Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung registrieren lassen. Beide Informationen werden ausschließlich auf Nachfrage an Betreuungsgerichte weitergegeben. Für den Ernstfall sind zusätzlich ausgefüllte Notfall-Karten hilfreich. Diese sind Inhalt der Broschüren Betreuungsrecht und Patientenverfügung, werden aber auch von uns und dem SKF in Villingen kostenlos abgegeben.

Prof. Dr. med. Hubert Kimmig
Direktor der Klinik für Neurologie
Schwarzwald-Baar Klinikum, Villingen-Schwenningen

Ein Beispiel aus der Praxis:

Die Patientenverfügung sollte nicht in Stein gemeißelt sein

Zu welchen Komplikationen eine ältere Patientenverfügung führen kann, erläuterte Prof. Dr. med. Hubert Kimmig, Direktor der Klinik für Neurologie am Schwarzwald-Baar Klinikum, exemplarisch an einem Beispiel, das Ärzte und Angehörige vor Herausforderungen stellt. Hintergrund ist, dass ein Schlaganfall mit heutigen Therapiemöglichkeiten nicht zwingend zu einer schweren Behinderung führen muss. Hat der Patient nach einer erfolgreichen Akutbehandlung noch Schluckstörungen, kann eine Ernährung über eine Sonde in einen Zeitraum zwischen vier und acht Wochen notwendig werden. Das Problem beginnt, wenn er in seiner Patientenverfügung ausdrücklich keine künstliche Ernährung wünscht. Kann der Patient selbst entscheiden, versuchen die Ärzte ihn zu überzeugen, dass diese Symptome sich im oben genannten Zeitrahmen bessern können. Ist er jedoch nicht ansprechbar, müssen Angehörige in die Entscheidung einbezogen und die Ansichten der Ärzte dargelegt werden. Im schlimmsten Fall zieht sich der Patient zudem noch unbewusst die Schläuche aus der Nase und es muss eventuell an eine kurzzeitige Fixierung gedacht werden. Dann sind häufig Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert. Bestehen die Angehörigen auf der Patientenverfügung, dürfen sich die Mediziner nicht darüber hinwegsetzen, obwohl nach ihrer Kenntnis der Patient im Verlauf eine deutliche Besserung erreichen könnte. Im Zweifel wird ein Ethikkonzil einberufen, an dem nicht nur die behandelnden Ärzte, sondern auch Kollegen aus der Inneren Abteilung, eine Pflegekraft, Angehörige und neutrale Beobachter, das kann ein Priester sein, teilnehmen. Nach Ansicht von Professor Kimmig sollten alle Möglichkeiten im Sinne der Patienten ausgeschöpft werden: „Die Zeit müssen wir uns nehmen. Man setzt sich zusammen und versucht herauszufinden, was der Patient für sich gewollt hätte, wie die Chancen unserer Therapieangebote sind und welche Alternativen bestehen. Wir versuchen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Nur wenn das ganz konträr läuft, die Angehörigen trotzdem ablehnen, ziehen wir am Ende das Gericht hinzu. Das setzt voraus, dass wir uns sicher sind, dass der Patient sich in wenigen Wochen auf natürlichem Weg ernähren kann. Nach meiner Wahrnehmung haben sich solche Situationen dramatisch verändert. Heute wird oft schneller und konsequenter eine palliative Behandlung gefordert.“

Sozialdienst Katholischer Frauen e. V. (SkF)
78050 Villingen-Schwenningen
Telefon: (07721) 57181
www.skf-villingen.de

Katholischer Verein für soziale Dienste e.V. (SKM)
78166 Donaueschingen
Telefon: (0771) 89 86 35 80
www.skm-sb.de

Bundesnotarkammer
Zentrales Vorsorgeregister
10117 Berlin
Telefon: (0800) 35 50 500 (gebührenfrei)
info@vorsorgeregister.de
www.vorsorgeregister.de

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Wolfram Fackler, Geschäftsführer SKM. Katholischer Verein für soziale Dienste, Donaueschingen