Magazin | MutMacher
Erika Burow (84)

»Im Langsamlaufen bin ich nicht gut«

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»Dankbarkeit ist für mich eine ganz wichtige Sache. Morgens und abends bin ich glücklich, dankbar und zufrieden. Eigentlich wünsche ich mir nichts weiter als das. Und wenn dann noch die Sonne scheint, ist alles in bester Ordnung.«

Sie lacht gern, hat ein sprühendes Temperament und ist das, was man ohne Übertreibung einen Bewegungsfan nennt. Erika Burow hats immer eilig, auch in ihren vier Wänden, in denen sie sich seit fünf Jahren wohl fühlt. Blumen sind ihre große Leidenschaft. Und davon ist sie überzeugt: Kontakt findet jeder. Man braucht nur vor die Tür rausgehen, schon hat man Kontakt.

»Lange 40 Jahre wohnte ich in St. Georgen in einer großen Wohnung mit großem Balkon und vielen Blumen. Und heute renne ich selbst bei Regen ins Städtle zu meinem kleinen Lieblingsblumenladen. Ohne Blumen wäre ich unglücklich, die gönne ich mir einfach. In meiner neuen Villinger Wohnung am Warenbach ist der Balkon kleiner. Meine Pflanzen stehen im Winter am Küchenfenster und fühlen sich dort wohl. Solange sie leben, bleiben sie bei mir. Wegwerfen bringe ich nicht übers Herz. Mich wirft man schließlich auch nicht weg. Meinen Umzug hierher habe ich fast allein erledigt, ohne dass meine drei Töchter etwas Genaueres wussten. Jede hätte wahrscheinlich eine andere Idee gehabt und ich hätte mich damit auseinandersetzen müssen. Darauf hatte ich keine Lust. Die Idee zum Umzug hierher kam von einer Freundin, mit der ich oft spazieren gegangen bin. Sie hat mir von den neuen Häusern für betreutes Wohnen erzählt. Wir zwei gingen zur Verwaltung ins Abt-Gaisser-Haus und haben nach einer Wohnung gefragt. Spaßeshalber habe ich ergänzt, dass eine Sauna halt schon dabei sein sollte. Darüber amüsierten sich die Damen und wir hatten ein nettes lockeres Gespräch, und ich habe ein Formular ausgefüllt. Mit anderen Freundinnen bin ich hier um die Häuser gelaufen. Ein Bewohner kam zu uns und fragte: ›na Mädels, wollt Ihr eine Wohnung?‹ Kurz darauf kam die Nachricht, dass für mich eine Wohnung da sei. Tatsächlich haben die mir einige gezeigt, die mir aber nicht gefielen, weil sie ganz unten waren. Bald wurde diese Wohnung frei, die mir gefiel. Aber ich wollte sie absolut leer übernehmen. Meine Tochter kommunizierte das so: Meine Mutter wird 80, die soll sich jetzt neu einrichten. In der Tat wollte ich helle Küchenmöbel. Drin standen nämlich dunkelbraune. Dann bin ich losgezogen, habe moderne Möbel gekauft und alles sparsam möbliert. Darüber bin ich heute noch glücklich, denn die Wohnung kommt einem richtig groß vor. Kein alter Mensch sollte sich mit alten Möbeln die Zimmer vollstellen. Täglich koche ich mir etwas, immer mit rotem und grünem Gemüse. Bei mir wird stark gewürzt, weil ich sehr wenig rieche und schmecke. Ich hatte zweimal Corona und muss mich damit abfinden. An Dinge, die ich selbst zubereite, kann ich mich geschmacklich gut erinnern. Und ich esse gern und sehr viel, aber ich laufe fast jeden Tag, mache Qigong und täglich nach dem Aufstehen eine halbe Stunde Gymnastik. Da bin ich streng mit mir. Das hält jung. Das Laufen hat mich süchtig gemacht. Ich will immer laufen, vor allem schnell, selbst hier im Haus. Im Sommer laufe ich bei gutem Wetter morgens um 8 Uhr eine Stunde.

»Ich habe viele Ideen, die sicher nicht schlecht sind

Sehr gesellig bin ich hier im Haus eigentlich nicht, aber irgendwie präsent. Vor einiger Zeit habe ich den Vorschlag gemacht, dass wir einmal in der Woche ein gemeinsames Frühstück anbieten sollten, damit sich alle Bewohner besser kennenlernen. Das kam sehr gut an. Gleichzeitig habe ich mich angeboten, die Arbeit zu übernehmen und werde von zwei Helfern aus unserem Haus unterstützt. Jeden Freitag kommen um die 24 Bewohner und wir genießen in unserem Gemeinschaftsraum ein kostenloses Frühstück. Der Spitalfonds spendiert Rosinenkuchen, frische Brezeln, Kaffee, Milch, Marmelade, was man so braucht. Am Abend vorher bekommen wir Geschirr und Besteck und decken die Tische. Pünktlich morgens wird uns ein Wagen mit Essen und Trinken gebracht. Mit meinen Helfern räumen wir hinterher auf und stellen das schmutzige Geschirr zurück auf den Wagen. Von den Teilnehmern kommen auch immer Spenden, die wir sofort für leckere Kuchen oder anderes verwenden. Auf jeden Fall ist das gemeinsame Frühstück sehr lustig und laut.
Dank Telefon, Handy und Computer habe ich viele Freunde und Bekannte. Alle zwei Wochen telefoniere ich fast zwei Stunden mit meiner Tochter in England. Dazu kommt täglich um dieselbe Uhrzeit das Skype-Treffen mit meiner Freundin. Wir haben beide kein Auto mehr. Meins habe ich verkauft. Manchmal frage ich mich, ob ich verrückt bin. Aber 300 Euro im Monat fast nur fürs Auto waren mir doch zu viel. Mein Hausarzt ist in St. Georgen. Manchmal fährt mich meine Tochter oder ich kann ihr Auto benutzen. Und trübe Stunden vertreibe ich mir mit Musik, die ich bei YouTube aussuche: mit Vorliebe Rap oder Popmusik, also mehr neuere Sachen, das alte ist nichts für mich.
Immer schon war ich modeaffin und habe mir dann mit 50 ein Mode-Geschäft gekauft und zehn Jahre betrieben. Ich weiß, ich bin verrückt, aber nur ein bisschen. Wenn ich ins Städtle gehe, kaufe ich immer etwas, und wenn es eine Kleinigkeit ist. Ich habe Freude daran, mir was mitzubringen. Bevor ich etwas Neues kaufe, muss was Altes weg. Ich will einfach nicht zu viel haben. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Herzinfarkt und mein Gehör hat stark nachgelassen. Wenn wir zum Kaffeetrinken gehen, sind wir halt etwas lauter, was aber nicht tragisch ist. Denn fast alle hören nicht mehr gut.
Wichtig sind für mich meine drei Töchter. Das sind tolle Frauen. Vor allem bin ich stolz auf meine Enkelin. Sie studiert Jura und hat auch schon das erste Staatsexamen geschafft. Generell behaupte ich: Ich lebe jetzt und morgen, gestern ist vorbei.«

»Ich bin streng mit mir. Das hält jung.«

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»Mein Spruch seit meinem Umzug.«
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