Magazin | MutMacher
Susanne Trost (47)

»Ich kann, ich will, ich muss . . .«

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Susanne Trost schätzt die kleinen Alltäglichkeiten: »Jeden Tag erlebe ich Dinge, wo ich mir sage, cool, das kann ich wieder.«

Sommerausklang 2023 für Susanne Trost und ihre Familie: Entspannter Wohnmobil-Familienurlaub in Spanien, Heimfahrt und eine Woche später der schwere Schlaganfall. Drei Wochen Intensivstation, zehn Wochen Reha in Konstanz. Zu Hause managt ihr Mann den Alltag, und fünf Kinder zwischen 23 und vier Jahren bangen um ihre Mama.

»Normalerweise fahre ich leidenschaftlich gern Motorrad, Auto oder Wohnmobil. Auf der Heimfahrt von Spanien spürte ich Schmerzen im Nacken. Für die letzten 500 Kilometer übernahm mein Mann das Lenkrad. Zu Hause in Schramberg kamen starke Kopfschmerzen hinzu. Tabletten halfen nicht, deshalb presste ich meinen Kopf sehr fest auf ein Massagekissen. Nach drei Tagen kam der Knall. Ich war mit den beiden Kleinen zu Hause. Plötzlich wurde mir vor der Haustür schwindelig. Ich legte mich auf die Stufen und krabbelte auf allen Vieren ins Haus. Unser Achtjähriger brachte mir das Handy, damit ich meinen Mann anrufen konnte. Mein erster Gedanke war, erst den Krankenwagen rufen, wenn der Papa da ist und die Kinder versorgt sind. Das alles habe ich noch bewusst erlebt, auch, dass ich meine linke Gesichtshälfte nicht bewegen konnte. Später erfuhr ich, dass der Auslöser für meinen Schlaganfall mein starkes Pressen auf das Massagekissen war. In meiner Arterie entstand ein Riss, der nach innen umgeklappt ist. Dadurch floss Blut in die Arterie und verstopfte sie. Einige Tage lag ich im Koma, die Ärzte kämpften um mein Leben. Mein Mann wurde informiert, dass nicht sicher ist, ob und wie ich überleben werde. Ich erinnere mich an wirre Wahrnehmungen und das Gefühl, in einer Wabe zu liegen. Angst oder Panik hatte ich nie. Aber ich konnte keine Uhr lesen. Ständig erkundigte ich mich nach der Uhrzeit und meinem Mann. Auf den Uhren erkannte ich nur einen Zeiger und ein verschobenes Ziffernblatt. Ich lag 16 Tage auf der Intensivstation und konnte weder mein Handy halten noch in die Hände klatschen. Mehrere Therapeuten arbeiteten mit mir bereits im Villinger Klinikum. Ich musste die kleinste Bewegung und das Sprechen neu lernen. Liegend wurde ich im Anschluss zur Reha nach Konstanz transportiert. Zehn Wochen Schwerstarbeit mit täglich vielen Therapien. Ich war abends fix und alle. Aber dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

»Eine Pflegerin hat in der Klinik meinen Mann getröstet: Die wird wieder, die hat fünf Kinder

Mein Mann hat sofort mein Büro übernommen und mithilfe unseres zweitältesten Sohnes auch den Computer beherrscht. Die haben mich nicht einmal was gefragt, auch nicht nach dem Passwort.

Mein erstes Ziel in der Reha war sitzen zu können, damit ich mich mit dem Rollstuhl bewegen kann. So konnte ich meine Wege minimieren und mir erkämpfen, dass ich allein auf die Toilette kam. Ich hatte ein Problem damit, dass mich andere auf die Toilette setzen mussten. Mein Endziel war, ohne Rollstuhl und ohne Rollator wieder nach Hause zu gehen. Ich habe es geschafft und stehe heute allein in der Dusche und kann mich mühelos bücken. Das sind Kleinigkeiten, die ich mir mit eisernem Willen erarbeiten musste. Die Sozialarbeiterin in der Reha hatte für mich die Pflegestufe und vieles für meine Pflege daheim vorbereitet. Dazu gehörte auch die Betreuung für die Sondenernährung. Im Stillen nahm ich mir vor, dass ich das alles nicht brauche. Als ich nach Hause kam, konnte ich noch nicht sprechen. Ich bekomme sehr viel Ergo und Logo und hoffe, dass ich damit mein altes Leben zurückholen kann. In meinem Hinterkopf steht ein Spruch von einem Menschen, der weniger Glück als ich hatte: Ich kann, ich will, ich muss. Normalerweise bin ich zu Hause Hansdampf in allen Gassen. Mein Mann war schon immer der Ruhepol. Aber ob ich noch einmal so kämpfen könnte, glaube ich nicht. Das hat sehr, sehr viel Kraft gekostet.

Seit drei Jahren bin ich selbstständig. Mein Mann hat schon immer viel im Haushalt übernommen. Deshalb funktioniert bei uns alles auch jetzt. Ich koche und arbeite. Das ist für mich einfacher, weil zum Glück mein Kopf funktioniert. Das war für mich ein tolles Erlebnis: Im Kopf ist alles wie früher. Ich kann körperlich noch nicht das leisten, was ich vorher geleistet habe, aber mich Schritt um Schritt langsam steigern. Meine Familie und viele um uns herum achten darauf, was ich für Signale sende. Ich will in Zukunft nichts anders machen, nur mein früheres Leben zurückbekommen.

Erst jetzt spüren wir, wie gut unser Netzwerk greift. Viele bieten Hilfe an, kommen auf uns zu und sind sehr umsichtig mit mir. Selbst unser Schulleiter hat mich zweimal in der Reha angerufen. Ich war bis zum Schlaganfall Elternvertreter der Stadt Schramberg und bin im Vorstand bei den Freien Wählern. Meine Cousine ist Steuerberaterin und meine Tante hat ein Büro für Buchführung. Beide waren für meine vier Mitarbeiterinnen da und haben zusätzlich Arbeit übernommen. Ich muss ja auch die Löhne zahlen, alles muss weiterlaufen.

»Ich will nicht zulassen, dass meine Krankheit mein Leben beeinflusst

Alle unsere Kinder sind Wunschkinder. Als die heute Vierjährige geboren wurde, war ich bereits 42 Jahre alt. Mir war immer wichtig, mit meinen Kindern sinnvoll so viel wie möglich Zeit zu verbringen. Auch mal nur übers Wochenende allein mit ihnen wegzufahren, wenn mein Mann nicht kann. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir dafür noch bleibt. Mit unserer Fünfzehnjährigen war ich im letzten Jahr in Paris und davon einen Tag im Louvre. Unser Achtjähriger möchte mal nach Bayern. Die Jüngste wünschte sich zum Geburtstag ein paar Tage Spanien. Daraus wurde leider nichts. Mein Plan ist, mit ihr die iberische Halbinsel zu erkunden, bevor sie in die Schule kommt. Ich möchte ihr Olivenbäume und Andalusier-Pferde zeigen. Das ist mein Plan. Im Moment kann ich kürzere Autostrecken bewältigen. An einem Wochenende wollen wir mal nach Straßburg fahren und dann entscheiden wir weiter.

Letzte Urlaubstage in Spanien.

In der Reha in Konstanz: Zum ersten Mal ohne Rollstuhl wieder mit ihrem Mann und dem Achtjährigen auf der Bank sitzen.

In der Reha in Konstanz: Zum ersten Mal ohne Rollstuhl wieder mit ihrem Mann und dem Achtjährigen auf der Bank sitzen.

Familie Trost hat erlebt, wie schnell man aus einem gewohnten und sehr aktiven Leben herausfliegen kann.

Wenn es mit mir vorbei gewesen wäre, wäre es natürlich zu früh. Aber meine Kinder hätten sicher aus unserer gemeinsamen intensiven Zeit etwas von mir mitgenommen für ihr Leben. Und für mich war es wichtig zu erkennen, wie oft mein Mann in meinem Sinne gehandelt und entschieden hat, obwohl wir nicht immer einer Meinung sind.«

 

»Ich erinnere mich an wirre Wahrnehmungen und das Gefühl, in einer Wabe zu liegen.«

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Eine Woche nach ihrem wunderschönen Urlaub: Susanne T. erleidet einen schweren Schlaganfall, liegt 16 Tage auf Intensivstation, trainiert mühsam mit eisernem Willen und täglichem Training mit ihren Therapeuten, um einfachste Bewegungen wieder zu erlernen.