Es darf auch mal ein Speckvesper sein
Gesund essen möchte jeder. Der Weg dahin ist nicht immer leicht. Müssen lieb gewordene Gewohnheiten über den Haufen geworfen werden, Einkauf und Zubereitung aufwendig sein und ist Schmalhans-Küchenmeister eine Alternative? Gesundheitsberaterin Angelika Bolkart von der Rehaklinik Sonnhalde zeigt ihren Patienten in der Diabetes- und Ernährungsberatung nicht die rote Karte. Zwei Dinge sind ihr für das Essen wichtig: genussvoll und gesund. Speckvesper und Sonntagskuchen müssen nicht von der Speisekarte gestrichen werden … Das lässt aufhorchen:
? Was und wie viel kann oder sollte ich für mein Wohlbefinden essen?
Wir alle haben einen individuellen Energiebedarf. Das hängt ab vom Alter, man wird langsamer und auch unser Stoffwechsel läuft nicht mehr schnell. Also brauchen wir im fortgeschrittenen Alter weniger Kalorien. Ab dem 60. Lebensjahr sind es zirka 25 Prozent weniger am Tag als mit 30 Jahren. Dabei spielen auch Bewegung und Mobilität eine Rolle. Männer haben einen Vorteil, sie dürfen etwas mehr essen, weil sie mehr Muskulatur haben.
? Müssen wir nur auf Kalorien achten?
Ein klares Nein – wichtig ist der Genuss. Wir essen doch im wahrsten Sinne des Wortes Lebens-Mittel. Also Mittel zum Leben und dazu gehören auch mal ein Speckvesper und der Sonntagskuchen.
? Verändert sich unser Geschmack im Alter?
Ja, daran sind die Geschmacksknospen schuld. Ein Baby hat zirka 10.000 Geschmacksknospen pro Quadratzentimeter. Senioren ab 60 nur noch 2000. Deshalb empfehlen wir weniger Salz und Süßes, lieber mehr Kräuter und Gewürze. Man sollte „Querbeet“ essen, also Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, aber auch Fleisch und Wurst, damit der Geschmackssinn trainiert wird.
? Wie wichtig ist das Trinken?
Fruchtsäfte enthalten viel Fruchtzucker, Apfelsaft hat beispielsweise so viel Zucker wie Cola. Ungesüßter Tee oder stark verdünnte Saftschorle sind besser, wenn man nicht nur Wasser trinken möchte. Bei ballaststoffreicher Kost – wie Haferflocken, Leinsamen, etc. – ist wichtig, viel zu trinken, da die Ballaststoffe Flüssigkeit zum Quellen benötigen. Ansonsten kommt es zu Verstopfung, obwohl Ballaststoffe die Verdauung fördern.
? Gemüse und Obst, ist das Gesundheit pur?
Beides liefert Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Letztere helfen, uns vor Erkrankungen zu schützen. Studien zeigen, dass Menschen, die viel Gemüse und Obst essen, seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebserkrankungen leiden. Gemüse ist nicht nur roh gesund. Schonendes Garen macht einige Gemüsesorten leichter verdaulich. Auch werden beim Köcheln verschiedene Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe für den Körper leichter verwertbar, beispielsweise das Lycopin der Tomate. Wenn möglich sollte man 50 Prozent rohes Gemüse und 50 Prozent gegartes Gemüse essen. Und das Obst am besten roh verzehren.
? „Fünf mal am Tag“ Obst und Gemüse essen – empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Wie viel ist das denn konkret?
Wir empfehlen, diese fünf Portionen auf die Mahlzeiten aufzuteilen. Als Menge einer Portion
gilt immer so viel, wie in die eigene Hand passt. Ein Beispiel: Essen Sie am Morgen einen Apfel, am Mittag gelbe Rüben und einen Salat und am Abend eine Tomate und ein Stück Gurke. Das reicht völlig für den Bedarf aus – also zu jeder Mahlzeit etwas, was im Garten wächst. Sehr zu empfehlen sind auch Nüsse und Avocados.
? wichtig sind Milch und Milchprodukte?
Beide sind wichtig, liefern uns Kalzium, das wir im Alter brauchen. Naturbelassene Produkte sind am besten. Wir empfehlen Weidemilch, die hochwertige Fette enthält, die uns helfen, unsere Gefäße zu schonen. Das Gleiche gilt für Joghurt, Quark und Käse, die unsere Darmflora gesund erhalten. Das wiederum ist fürs Immunsystem wichtig. Ein Viertelliter Milch oder Jogurt und zwei Scheiben Käse am Tag decken unseren Bedarf. Auch hier gilt: Viel hilft nicht viel. Der Viertelliter Milch am Tag, eingeschlossen Quark und Joghurt, sollte nicht überschritten werden.
? Müssen tierische Fette außen vor bleiben?
Nein, aber nicht täglich zum Essen gehören. Wir empfehlen zweimal in der Woche Fleisch, zweimal in der Woche Fisch. Bevorzugt wird fetter Seefisch wie Lachs, Makrele, Hering und Thunfisch. Auch eine Bachforelle, etwas angebraten in Olivenöl, gibt die nötige Menge Omega-3-Fettsäuren. Eier gehören auf den Speiseplan, bei erhöhtem Cholesterin nicht mehr als zwei bis drei pro Woche. Bitte daran denken, dass Spätzle Eier enthalten.
? Und wie steht es um die gute Butter?
Butter ist etwas Natürliches und gegen eine Tagesmenge von zirka zwei Teelöffeln ist nichts einzuwenden. Schließlich verfeinert sie auch den guten Geschmack vieler Mahlzeiten, der uns Genuss bringt.
Mit Angelika Bolkart ins Innere des Körpers
Gutes Essen stärkt das Immunsystem, bringt körperliche und geistige Fitness und Energie, bewahrt Lebensqualität und verwöhnt die Seele. Voraussetzung ist eine abwechslungsreiche Kost.
Normalgewicht – geringe Gefahr
Bei Übergewicht verteilt sich das Fett im Körper. Rücken, Hüften, Knie- und Sprunggelenke sind für zu viele Kilos nicht ausgerichtet. Für Stoffwechselerkrankungen ist hauptsächlich der Bauchspeck verantwortlich. Studien zeigen, dass stark übergewichtige Menschen häufiger an Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen leiden. Idealerweise überschreitet der Bauchumfang bei Frauen nicht 80 und bei Männern nicht 92 Zentimeter.
Trinken im Alter
Flüssigkeit ist Transportmittel für Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen und sorgt für Abtransport und Ausscheidung von Stoffwechselprodukten. Wichtig ist, über den Tag regelmäßig verteilt zu trinken, 1,5 bis zwei Liter. Zirka 800 Milliliter nehmen wir über Lebensmittel auf. Erste Anzeichen für zu wenig Flüssigkeit: Kopfschmerzen, Schwindel und Kreislaufprobleme.
Kohlenhydrate
Glucose (Einfachzucker) dient allen Zellen zur Energiegewinnung. 120 Gramm Glucose aus dem Nahrungsabbau sind für die Energieversorgung des Gehirns notwendig.
Der Weg eines Vollkornbrotes oder wie kommt der Zucker in die Zellen
Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln liefern Ballaststoffe und Kohlenhydrate. Letzteres ist der Sammelbegriff für alle Zuckerarten: Einfachzucker (Saft, Honig und Früchte), Zweifachzucker (Haushalts-, Milch- und Malzzucker), Vielfachzucker (Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Vollkornbrot). Das Vollkornbrot wird gekaut, geschluckt und gelangt in den Magen und anschließend in den Dünndarm. Dort spalten Verdauungssäfte die Zuckerketten klitzeklein, bis Einfachzucker daraus geworden ist. Je länger die Zuckerkette, umso mehr Zeit benötigt der Körper für die Spaltung dieser Zuckerkette. Erst als Einfachzucker geht der Zucker durch die Dünndarmwand in die Leber, die den Zucker ins Blutgefäß schickt (Blutzucker). Je länger die Zuckerkette, umso langsamer der Weg zum Blutgefäß. Unsere Bauchspeicheldrüse misst über 8000 Mal am Tag den Blutzuckerspiegel. Merkt sie, dass Zucker im Blut ist, schüttet sie Insulin ins Blutgefäß. Das Insulin dockt an den Körperzellwänden an, öffnet sie und der Zucker versorgt die Zellen mit Energie. Das Ganze nennt man Zuckerstoffwechsel. Generell sollten wir langkettige Kohlenhydrate mit viel Ballaststoffen zu uns nehmen.
So wirken Kohlenhydrate auf den Blutzucker
Zuckerhaltige Getränke und Traubenzucker schießen ins Blut. Weißmehlprodukte und Obst strömen ins Blut. Vollkorngetreideprodukte und Kartoffeln fließen ins Blut. Kohlenhydrate aus Milch tröpfeln ins Blut. Kohlenhydrate aus Gemüse und Hülsenfrüchte sickern ins Blut.
Fette und Öle sind lebensnotwendig
Fette werden zur Energiegewinnung benötigt, sind der Ausgangsbaustoff für Gallensäure und Hormone, dienen dem Schutz der Organe gegen Wärmeverlust und äußere Einflüsse und helfen bei der Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen. Man unterscheidet gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. Bevorzugt werden pflanzliche ungesättigte Fettsäuren, die unsere Arterien geschmeidig und die Fließfähigkeit des Blutes erhalten. Und sie sind entzündungshemmend. Kaltgepresste Öle sollten bevorzugt werden: Walnuss-, Weizenkeim- und Rapsöl (das Olivenöl des Nordens). Palmfett ist nicht zu empfehlen (gesättigte Fettsäuren) und Kokosfett nur wenig und nicht in gehärteter Form.
Eiweiße:
Eiweiße sind ein wesentlicher Bestandteil aller Zellen, sind lebensnotwendig, ein Baustoff für neue Körperzellen, verhindern Heißhungerattacken und helfen den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren.
Eiweißhaltige pflanzliche Lebensmittel sind zu bevorzugen (Hülsenfrüchte, Soja, Vollkornprodukte, Nüsse, Kartoffeln). Vorsicht: Zu hohe Eiweißaufnahme kann zu erhöhten Harnsäurewerten im Blut und zu Gicht führen.
WEITERE INFORMATIONEN
Rehaklinik Sonnhalde
78166 Donaueschingen
Tel.: (0771) 852-0
www.rehaklinik-sonnhalde.de
Gesundes Essen ist kein Hexenwerk. Man sollte nur wissen, was, wie und warum....