Magazin | MutMacher
Herbert Fischinger (97)

Ein Glücksmensch – zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Headerbild
Herbert Fischinger sitzt in seiner Erinnerungsecke: mit dem Tuch von seinen spanischen Freunden im Flamenco Verein, dem Hut seiner Frau, darunter der Schal der Tochter, sein Lieblingshut und seine Gitarre.

Zur Definition Glücksmensch gehören für Herbert Fischinger seine sprühenden Ideen. Gemeint sind der Tisch der Begegnung, das abendliche Sandmann-Ritual und vor allem seine Offenheit. Zu Beginn unseres Kennenlernens singt er mit Gesten verschmitzter Schüchternheit den Gassenhauer: »Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frauen.«

»Mein größter Wunsch ist, dass mein Gesundheitszustand trotz Mängel nicht schlechter wird. In meiner Wohnung mit Blick auf die Bäume am Salinensee finde ich Ruhe. Körper und Alter zwingen mich zu Pausen, die ich akzeptieren kann. Trotz meines Drehschwindels möchte ich Kraft haben, um anderen Freude zu bringen. Mein Leben besteht aus Glückssträhnen. Als der Krieg kam, wollte ich zur Luftwaffe und hatte auf dem Klippeneck meine Klasse 1 zum Segelflieger gemacht. Hinzu kam die Funkerausbildung. Über mehrere Stationen landete ich in Gefangenschaft in Frankreich. Elektronisch war ich auf Draht und musste vor allem Geräte reparieren. Später nach meinem Abschluss in der Feintechnikschule hatte ich wieder Glück, lernte bei einem Friseur Herrn Schlenker kennen, erzählte von meiner Jobsuche, wurde Mustermacher bei Schlenker-Grusen und danach Assistent. Nach 12 Jahren wechselte ich zur Firma Urgos. Bis zum Ruhestand war ich dort Betriebsleiter. Und das alles, obwohl ich nur Volksschüler war. Mit meiner Frau, die vor 25 Jahren viel zu früh starb, hatte ich eine wunderbare Zeit. Im Ruhestand verbrachten wir die Wintermonate in unserem Reihenbungalow in Malaga. Bis vor drei Jahren war ich allein in Andalusien. Damals half mir die Familie Schlageter, die in Spanien lebte und zu der ich jeden Tag kommen durfte. Wir wurden enge Freunde.

»Ich lernte meinen besten Freund kennen, der heute mein Betreuer ist

Als Urschwenninger wurde Bad Dürrheim meine neue Heimat. Immer war ich absolut eigenständig und habe mich selbst versorgt. Mit 94 begann mein Drehschwindel und ich fragte meinen Freund, ob ich mir in meinem Alter noch was Gutes tun kann. Und er antwortete, dass er sich nie getraut habe, mir einen Vorschlag zu machen. Ich war überrascht und er fragte, warum ich nicht ins Kurstift ginge? Wie ein Schatten fiel es von meinen Augen. Am anderen Tag fuhren wir hierher. Ich war begeistert und wusste sofort, hier gehöre ich hin. Zuerst zog ich in eine freie Einzimmerwohnung, später in die Zweizimmerwohnung mit Südseite. Mein Freund nahm alles in die Hand, ich hatte keine Arbeit. Ganz wichtig waren mir die selbst gedrehten 50 Spanienfilme. Mit meinem alten Fernseher habe ich sie oft ansehen können. Aber seit drei Wochen habe ich ein neues Gerät. Das einzurichten dauert ewig. Es ist furchtbar, obwohl mir mein Freund hilft und ich auch mit dem Handy fit bin. Hoffentlich kann ich bald wieder in meine Vergangenheit eintauchen. Das freut sicher auch eine Bekannte. Inzwischen wohnt die Frau meines leider schon verstorbenen Freundes aus Spanien hier im KWA. Es ist schön, Bekannte wieder zu treffen.
Schnell habe ich hier erkannt, dass viele Mitbewohner Unterstützung brauchen. Oft geht es ums Handy, oder einfach nur ums Zuhören und miteinander reden. Ich hatte eine Idee und richte ab 15.30 Uhr einen täglichen Tisch der Begegnungen in der Eingangshalle ein. Sollte der belegt sein, nehmen wir einen anderen. Irgendwann kam die Idee, abends ein paar Worte miteinander zu reden, weil viele über schlechten Schlaf klagten. Ich überlegte, was ich tun könnte und bin jetzt ab 18 Uhr allabendlich der Sandmann. Ich gehe an die Tische, komme mit Menschen ins Gespräch und erkundige mich, wie ihr Tag verlaufen sei. Jedem einzelnen wünsche ich, dass er gut schlafen kann und empfehle, wenn man nachts aufwacht und nicht einschlafen kann, so lange die Hände zu reiben, bis man müde einschläft. Abschließend wünsche ich allen, dass sie morgen früh ihre Füße aus dem Bett bringen, gut aufstehen können und dann sagen: Gott sei Dank habe ich einen Tag und eine Nacht gut überstanden. Anschließend schwätzen und lachen wir gemeinsam. Für mich ist das kein Stress, denn ich beende so auch meinen Tag mit einem guten Gefühl.«

»Ich hatte eine Idee und richtete ab 15.30 Uhr einen täglichen Tisch der Begegnungen in der Eingangshalle ein.«