Magazin | MutMacher
Hannelore Lorenz (81)

„Der alte Freundeskreis ist ganz wichtig“

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„Mein Lebensweg führte immer durch Dauchingen. Seit fünf Jahren wohne ich im betreuten Wohnen im ‚Löwen‘ und genau gegenüber steht mein Elternhaus. Dort wurden auch unsere beiden Töchter geboren. Mit meinem Mann habe ich im Ort ein großes Haus gebaut. Fast alles haben wir allein bewerkstelligt. Das war sicher zu viel für unsere Körper, denn irgendwann waren die Knochen kaputt. Mein Mann wurde schwer krank, musste jahrelang immer wieder ins Krankenhaus. Dann kam der Tag, an dem er sich weigerte, wieder hinzugehen. Das war vor acht Jahren. Unsere Tochter hat alles versucht und der Hausarzt hatte für den nächsten Morgen einen Krankenwagen bestellt. Noch am Abend starb mein Mann, er hatte in seinem Inneren aufgegeben. Nach seinem Tod fiel ich in ein Loch. Plötzlich war ich allein, musste alle Entscheidungen selbst treffen. Es war ein Teufelskreis. Im Haus kam eine Reparatur nach der anderen, als wollte es mich zwingen, eine Entscheidung für mein Leben zu treffen. Unsere Töchter wohnen weiter weg und ich konnte ja nicht ständig meine Kinder zur Hilfe holen. Nach einem Jahr wurde ich krank und musste unser Haus verkaufen. Meine Tochter hat mir geraten, in ihre Nähe zu ziehen. Dort sollte ein Haus für betreutes Wohnen gebaut werden und ich hätte eine der Wohnungen kaufen können. Das war der Plan. Ich bin hin und habe den Kaufvertrag unterschrieben. Als ich am selben Tag zurückkam, war ich mit meinem Freundeskreis auf einem Fest. Und plötzlich ist mir gekommen, dass ich in meinem neuen Wohnort das alles nicht mehr haben werde. Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen. Der Gedanke, ich muss neue Freunde suchen und ob ich überhaupt solche finde, wie ich sie hier seit Jahrzehnten habe, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Ich war traurig und habe gegrübelt, ob ich mit dem Kaufvertrag nicht eine falsche Entscheidung getroffen habe. Am anderen Morgen rief ich meine Tochter an und habe ihr meine völlig zerrissene Lage gebeichtet. Sie hat mir geholfen und mit der Maklerin gesprochen. Ich hatte Glück und konnte den Kauf rückgängig machen. In Dauchingen haben wir ja auch ein betreutes Wohnen. Ich bekam ein Angebot und schaute mir eine Wohnung an. Das war leider an einem furchtbar nasskalten dunklen Novembertag. In der Wohnung war kein Licht und alles war leer. Meine Enkelin weinte und wollte mich nicht dort einziehen lassen. Dann habe ich beschlossen, mir das noch mal zu überlegen.

„Doch meine Krankheiten machten mir klar, dass ich eine geeignete Wohnung finden musste“

Meine Freunde halfen mir und nahmen mich mit zum Weihnachtskonzert hier im Pflegeheim. Dann haben wir uns umgehört, ob ich mal eine bezogene Wohnung sehen könnte. Spontan lud mich meine heutige Nachbarin ein. Ihre Wohnung hat mir sofort gefallen, mein Entschluss war gefasst und mir ging es besser. Über die Gemeinde bekam ich meine schöne Wohnung. Mich haben auch die vielen Vorteile überzeugt. Zum Beispiel kann ich außerhalb der Wohnung nicht mehr weit laufen. Nachts brauche ich ein Sauerstoffgerät und trage immer mein Notfallspray bei mir. Aber freitags fährt uns das Busle vom ‚Löwen‘ bis zum Supermarkt. Kurz vor dem Umzug kam ich noch zur Reha nach Bad Dürrheim. Die Klinik hat mich wieder aufgepäppelt. Meine Kinder haben in der Zeit alles vorbereitet, die neue Wohnung ausgemessen, einen Schreiner besorgt, damit die Möbel passen und während der Reha an einem Tag mit mir eingekauft, was noch fehlte. In Gedanken rede ich täglich mit meinem Mann. Das tut mir gut und hilft mir. Oft frage ich ihn um Rat, wenn ich mir nicht sicher bin. Wir waren 57 Jahre verheiratet, da ahne ich seine Antworten. Mit der Zeit habe ich gelernt und mir einen Spruch gesucht, der mir Mut gibt: Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Wenn ich einen Wunsch frei hätte? Meine ganze Familie soll gesund bleiben, ich auch einigermaßen, damit ich für meine zwei Urenkel noch lange die Uri sein kann.“

"Ich möchte für meine Urenkel noch lange die Uri sein."

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