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Rote Früchte helfen einer Demenz vorzubeugen

Und Tanzen ist richtig gut

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Übungen für einfache Alltagsaktivitäten.

Was bedeutet eine Demenz zu haben? Kann man der Erkrankung vorbeugen? Ist sie heilbar? Fragen rund um das Thema beantwortet Dr. Ralf Kozian, Chefarzt im Zentrum für Altersmedizin am Vinzenz von Paul Hospital Rottweil.

? Ab welchem Alter kann Demenz auftreten?
Demenz beginnt in den meisten Fällen ab dem 65. Lebensjahr. Die häufigste Form ist die Alzheimer Demenz. Es gibt auch Demenzformen, beispielsweise bei familiärer Häufung, bei denen die Erkrankung schon nach dem 50. Lebensjahr auftritt. Das ist relativ selten. Eine weitere häufige Demenz ist die nach einem Schlaganfall.

? Woran erkennt man eine Demenz, ist das schon die häufige Vergesslichkeit?
Etwas zu vergessen ist normal. Das ist noch keine Alzheimer. Eine Rolle spielt das Ausmaß der Erkrankung. Wenn die Menschen unter Demenz leiden, handelt es sich um eine schwere Gedächtnisstörung. Auffallend ist die Kurzzeitgedächtnisstörung bei der Alzheimererkrankung. Was im Laufe der letzten 24 Stunden passiert, wird eher vergessen als das, was weiter zurückliegt. Die Menschen wissen dann nicht mehr, was sie kurz vorher gegessen haben, aber das Langzeitgedächtnis funktioniert.

? Kommt die Erinnerung gar nicht wieder oder kann man das trainieren?
Wenn eine Alzheimer Demenz vorliegt, wird sie fortschreiten. Auch Medikamente bringen keine Heilung, sie verlangsamen aber den Prozess. Das hängt auch vom Schweregrad ab. Es gibt verschiedene Stadien, von leicht über mittel bis schwer. Bei der Erkrankung können Orientierungsstörungen, Konzentrations- und Merkstörungen und die Störung der Kritik- und Urteilsfähigkeit auftreten. All diese Veränderungen müssen mindestens sechs Monate bestehen. Nach sechs Monaten kann man davon ausgehen, dass ein Demenz-Verdacht besteht und die Menschen psychologisch mit Gedächtnis- und Konzentratíonstests untersuchen.

? Können Angehörige die Situation einschätzen, beziehungsweise worauf sollten sie achten?
Unsere Erfahrung ist, dass Angehörige häufig viel tolerieren. Selbst wenn wir schwer Demente hier aufnehmen, heißt es oft, dass zu Hause alles noch gut funktioniert habe. Angehörige neigen dazu, diese Veränderungen nicht so wahrzunehmen. Sie gleichen auch aus, das merkt man besonders, wenn der gesunde Partner stirbt. Dann bricht vieles zusammen. Man will vielleicht auch nicht alles wahrhaben.

?Spürt der demente Patient seine Erkrankung?
Zur Demenz-Diagnose gehört die vorhandene Kritik- und Urteilsfähigkeit. Haben Menschen eine beginnende Demenz, ist das ein Graubereich, der zwischen normalem Verhalten und einer Erkrankung liegt. Dann ist eine gute Kritik- und Urteilsfähigkeit durchaus noch gegeben. Diese Patienten spüren ihre Defizite. Schreitet die Demenz fort, ist die Kritik- und Urteilsfähigkeit so beeinträchtigt, dass die Menschen nicht mehr kritisch reflektieren können. Sie versuchen, die Situation mit Ausflüchten zu erklären. Am Beginn einer Demenz spüren die Menschen ihre Defizite. Das ist eine kritische Zeit, die Angst macht, und die Selbstmordgefahr ist gegeben. Wenn sie über die Diagnose aufgeklärt werden, wissen sie oft auch, wie es weitergeht. Dann können Depressionen auftreten, die die Leistung noch mehr verschlechtern.

? An welchen Stellen wird das Gehirn geschädigt?
Fakt ist, niemand kann etwas für eine Demenz. Es gibt bei der Alzheimererkrankung neurochemische Veränderungen. Da findet man Amyloide Plaques. Das sind Eiweißverklumpungen und Veränderungen von Eiweißfäden. Man erkennt deutlich, dass die Krankheit sozusagen aufsteigt. Am Schluss ist das Gesamthirn von der Erkrankung betroffen.

? Spielen medikamentöse Behandlungen anderer Erkrankungen eine Rolle?
Man weiß, dass die Behandlung von Menschen mit Wachstumshormonmangel mit kontaminierten Hormonen später zur Alzheimererkrankung führen kann. Eines ist klar, die Vorstufen der Eiweißklumpen hat jeder. Es ist die Frage, wie lang die Vorstufe ist. Jedes Gehirn hat ein so genanntes Reinigungssystem. Das heißt, Vorstufen der Verklumpungen lassen sich wieder beseitigen. Ist die Vorstufe länger, dann nicht. Das ist auch eine Frage des Schlafes. Studien sagen, dass wer statt acht Stunden nur sieben schläft, ein höheres Risiko hat, eine Alzheimererkrankung zu bekommen. Langer Schlaf ist ein Schutz vor Demenz, aber Schlaftabletten nützen nichts. Im Schlaf wird die Verklumpung beseitigt, das muss man sich wie ein Rauswaschen vorstellen. Es gibt Medikamente, die vor Demenz etwas schützen können. Dazu zählt Ibuprofen, das man auf keinen Fall vorbeugend nehmen sollte, denn das Medikament hat viele Nebenwirkungen. Dagegen hat Aspirin keinen positiven Effekt und ein bestimmtes Antidepressivum kann das Fortschreiten einer leichten kognitiven Störung in eine Demenz um drei Jahre verzögern. Man vermutet hier antientzündliche Effekte.

? Kann man selbst einer Demenz vorbeugen?
Ja, das ist ein weites Feld. Wichtig ist, sich gut zu ernähren. Gut heißt, wenn möglich, täglich rote Früchte wie Johannisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren essen. Gegen wenig Rotwein spricht nichts, aber Achtung, hier geht es um Alkohol. Eine schützende Wirkung haben Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch und bestimmten Ölen sind. Auch Omega-3-Fettsäuretabletten sind gut möglich. Fettreiche und kohlenhydratreiche Kost ist ungünstig. Übergewicht und Rauchen natürlich auch. Körperliche Bewegung hat einen unglaublich guten Effekt gegen Demenz, dazu gehört an erster Stelle das Tanzen. Das ist nicht nur Bewegung nach Regeln, sondern schult das Hirn.

? Helfen auch Kreuzworträtsel?
Ja klar, aber man muss aufpassen, denn die haben den Nachteil der erlangten Routine. Man sollte die Herausforderung wechseln, mal SUDOKU oder Scrabble spielen. Die Vielfalt der Spiele machts.

Gemeinsam an einem „Strang“ ziehen.

WEITERE INFORMATIONEN
Vinzenz von Paul Hospital gGMBH
Zentrum für Altersmedizin
78628 Rottweil
Telefon: (0741)241-2251
www.vvph.de

 

Behandlungsschwerpunkte im Zentrum für Altersmedizin:
Mit einer Überweisung vom Hausarzt werden verhaltensauffällige Patienten untersucht. Dazu zählen Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Herumirren, psychotische Symptome, schwere Depressionen. Nach einer umfangreichen Untersuchung – Laborwerte, Computertomographie (CCT), Magnetresonanztomographie (MRT) und neuropsychologische Tests – stehen Diagnostik und Behandlungsmöglichkeit fest. Für die Akutbehandlung werden die Patienten stationär aufgenommen. Das Ziel ist, Symptome möglichst zu bessern, um Alltagsaktivitäten und kognitive Fähigkeiten länger aufrechterhalten zu können. Dazu gehören die medikamentöse Behandlung und die nichtmedikamentöse Therapie, wie Ergo- und Physiotherapie, um beispielsweise das Laufen, einen möglichst sturzfreien Gang und auch das selbstständige Essen und einfache Alltagstätigkeiten zu schulen.

Vinzenz von Paul Hospital gGmbH
Zentrum für Altersmedizin

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Dr. Ralf Kozian, Chefarzt Zentrum für Altersmedizin Vinzenz von Paul Hospital