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Wenn Hüfte und Knie nicht nur zwicken

Schmerzfreie Bewegung ist nicht Marathon laufen

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Dr. Herbert Wölfl, Chefarzt und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Bad Dürrheimer Klinik Limberger bringt das Ziel für seine Rehapatienten auf den Nenner: „Wir bringen Sie wieder auf die Beine – damit Sie zu Hause im Alltag wieder Freude haben.“ Hüfte und Knie gehören mit zu den häufigsten Problemen.

? Macht es Sinn, eine OP so lange wie möglich rauszuschieben?
Wer längere Zeit starke Beschwerden hat, sollte das abklären lassen. Nicht immer ist sofort eine Prothese notwendig Mitunter kann man mit einer Spritzenbehandlung oder mit Krankengymnastik Besserung erreichen und empfehlen, welche Belastungen derjenige lieber sein lassen soll. Wenn sich aber jemand plagt und es wird eine schwere Arthrose festgestellt – dieser Punkt kommt bei den meisten –, dann macht Abwarten keinen Sinn. Älteren empfehle ich, lieber zeitiger zu gehen. Aber: Der Patient muss für die OP selbst bereit sein, das ist ein wichtiger Aspekt. Bedenken sollte man, dass ein Implantat ein Kunstprodukt ist und nicht ewig hält. Andererseits hält es zirka 20 Jahre und man hat ein funktionsfähiges, schmerzfreies Gelenk.

? Welche Symptome sollten ein Signal sein?
Es beginnt mit Anlaufschmerzen, also Beschwerden beim Loslaufen nach längerem Sitzen. Im Laufe der Zeit wird die Gehstrecke immer weniger. Irgendwann bekommt man auch bei Ruhe Schmerzen. Schlimm wird es, wenn sie nachts auftreten und den Schlaf stören. Dann wünscht sich jeder freiwillig eine OP. Wer drei Kilometer schmerzfrei laufen kann, braucht in aller Regel keine Prothese.

? Von Patienten hört man, dass die Hüfte schneller schmerzfrei ist als das Knie. Ist da was dran?
Das ist individuell unterschiedlich, auch je nach Schmerzempfinden. Bekannt ist, dass bei Hüftprothesen die Patienten gefühlt sehr zufrieden sind. Bei der Knieprothese ist die Rekonvaleszenzphase deutlich länger. Ein Knie ist vom Aufbau her auch komplexer als die Hüfte.

? Was ist der Unterschied zwischen zementierter oder zementfreier Prothese?
Den richtigen Weg sollte man dem Operateur seines Vertrauens überlassen. Ich empfehle im Zweifel, eine zweite Meinung einzuholen. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich im Internet eine Prothese zu suchen, die man haben möchte. Für die Prothese muss niemand weiter als 20 Kilometer fahren, höchstens bei sehr komplizierten Fällen. Man sollte auch eventuelle Nachsorge oder sogar Nachfolgeschäden vorher bedenken. In unserer Gegend wird beim Knie zementiert. Bei der Hüfte benutzt man eher neue zementfreie Implantate, die an der Oberfläche rauer sind, damit die Knochen besser anwachsen können. Haben Patienten eine gute Knochensubstanz, kann man zementfrei implantieren.

? Wie viel Bewegung kann ich mir nach der Prothesen-OP zutrauen?
In der Reha zeigen wir den Patienten in Fortbildungseinheiten, was sie in den ersten drei Monaten nach der OP tun und was sie lassen sollten. Hüftpatienten sollten das Bein nicht über 90 Grad beugen. Das wäre zu viel. Dazu gehören Rotationen mit dem Bein, Schuhe binden und Socken anziehen. Dann dreht es den Hüftkopf aus der Pfanne. Man sollte hoch genug sitzen. Die Toilettensitzerhöhung zahlt beispielsweise die Krankenkasse. Für die Strümpfe gibt es Sockenanziehhilfen oder andere Greifer. Ich habe selbst zwei Hüftprothesen, habe alles ausprobiert und kenne beide Seiten, die der Patienten und die der Ärzte. Bei der Knieprothese gibt es keine
solchen Einschränkungen.

Neues Angebot: kombinierte Schmerztherapie
Ende 2018 startet die Reha-Klinik Limberger mit dem Thema „Multimodale Schmerztherapie“ eine kombinierte stationäre Behandlung, hauptsächlich für Wirbelsäulenpatienten. Gemeinsam mit der Schmerztherapie-Praxis Bechthold (Villingen-Schwenningen) und dem Psychiater und Psychotherapeuten Prof. Dr. med. Erich Burrer (Bad Dürrheim), dem Orthopäden Dr. med. Herbert Wölfl und dem eigenen Physioteam werden chronische Schmerzpatienten betreut und geschult. Das spezielle Programm beinhaltet Psychotherapiesitzungen, psychologische Gespräche, Bewegungstherapie und die Unterstützung einer Gruppentherapie, damit Patienten erkennen, dass sie nicht allein sind und sich untereinander austauschen. Die Patienten lernen während des dreiwöchigen Aufenthaltes, mit ihrem Schmerz umzugehen. Ein so umfassendes Angebot auf hohem Niveau ist bisher bei dem Thema „Schmerztherapie“ nicht üblich. Dr. med. Herbert Wölfl: „Hexhex funktioniert leider nicht! Ein chronischer Schmerz geht nicht von alleine weg, man muss den Umgang mit dem Schmerz lernen, so dass er einen möglichst wenig beeinträchtigt. Dazu gehört auch, das Schmerzgedächtnis zu durchbrechen. Patienten sehen oft nicht den Zusammenhang zwischen Schmerz und Psyche. Aber ohne psychologische Unterstützung wird die Schmerztherapie nicht funktionieren.“

WEITERE INFORMATIONEN

Klinik Limberger
78073 Bad Dürrheim
Telefon: (07726) 6640
www.klinik-limberger.de

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Dr. med. Herbert Wölfl