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Ein Bestatter braucht Empathie

Jeder sollte den letzten Weg so gehen, wie er ihn wünscht

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Im Büro klingelt das Telefon. Mit ruhiger Stimme stellt Elke Marschall ihre Fragen. Es geht um den Termin einer Abholung, um den Verstorbenen und um die zurückgebliebene Ehefrau. „Kann sich jemand um Sie kümmern?“, fragt die Bestatterin am Ende des Gesprächs. Telefonate mit erschütterten oder gefassten Hinterbliebenen gehören zum Alltag der Bestattungsgesellschaft Hafa. Wir nutzen eine Pause und wollen wissen, welche Wünsche Verstorbene und Angehörige für ihre letzte Ruhe anfragen.

? Wenn jemand zu Hause verstirbt, wie lange darf er dort bleiben?
Vor allem ältere Ehepaare wünschen, dass verstorbene Partner länger zu Hause bleiben, um in Ruhe Abschied nehmen zu können. Das können drei Tage sein, dann haben es Angehörige leichter loszulassen. Früher war das üblich, hat sich aber heute zunehmend verloren, weil es keine Rituale mehr gibt. Totenwache oder das Abhängen von Spiegeln spielen keine Rolle mehr. Aber wir selbst haben auch einen eigenen Abschiedsraum, den wir kostenlos zur Verfügung stellen. Dort können Angehörige am offenen Sarg Abschied nehmen. Sie bekommen einen Schlüssel und bestimmen selbst, wie oft sie bis zur Kremierung oder Bestattung kommen.

? Werden klassische Bestattungen stärker nachgefragt?
Generell überwiegen noch Urnenbeisetzung oder Erdbestattung auf dem Friedhof im Ort. Aber zunehmend werden Sonderwünsche und neue Ruhestätten angefragt. Generell wollen wir, dass die Leute den letzten Weg nach ihrem Wunsch erfüllt bekommen – als Angehörige oder als Verstorbene, die beispielsweise zu Lebzeiten einen kostenlosen Bestattungsvorsorgevertrag mit uns abgeschlossen haben. Wir müssen uns natürlich an die gesetzlichen Regelungen halten. In Deutschland gilt eine Bestattungspflicht. Aber es gibt Möglichkeiten. Wir arbeiten beispielsweise mit einem Schweizer Bestattungshaus zusammen. In der Schweiz sind die Bestimmungen weniger streng. Dort darf man die Asche auf einer Wiese, im Gebirgsbach oder im Wald verstreuen lassen.

? Und wie können solche Wünsche für deutsche Verstorbene realisiert werden?
Die Schweizer übernehmen für uns die Bestattung und bestätigen uns den Grabplatz. Das bedeutet aber auch, dass Angehörige in Deutschland eine Urne zur Abschiednahme noch eine gewisse Zeit behalten können. Wenn das Schweizer Unternehmen die Urne anfordert, nehmen wir mit den Angehörigen Kontakt auf und übergeben die Asche an die Kollegen. Das ist ein ganz legaler Weg. Wir erhalten dann auch den Nachweis, dass die Urne bestattet wurde.

? Ist eine Beisetzung in Bestattungs- oder Ruhewäldern für jeden möglich?
Die Nachfrage wächst zunehmend und wir können in jedem dieser Wälder bestatten, das ist nicht ortsgebunden. Wenn gewünscht, geht auch der Pfarrer mit. Die Gestaltung ist individuell möglich. Lediglich die Urnen sind aus einem schneller auflösbaren Material.

? Sonst sind in Deutschland keine Ausnahmen zulässig?
Doch, die gibt es. Man kann die Asche in ein Granulat umwandeln lassen, das in den Erdballen einer kleinen, jungen Buche eingegeben wird. Nach einem Vierteljahr können wir der Familie den Baum mit der Asche in einem Blumentopf zusenden. Dieser Baum darf dann in den Garten gepflanzt werden. Allerdings kostet das viel Geld und wird nach unserer Erfahrung kaum in Anspruch genommen. Es ist ja auch unsicher, ob der Baum eventuell eingeht und gefällt werden muss oder das Grundstück verkauft wird. Mittlerweile kann man sich auch für 25.000 Euro ins All schießen lassen. Aber diesen Wunsch haben wir noch nie gehört.

? Können Muslime entsprechend ihrer Rituale beigesetzt werden?
Bei den Muslimen ist es Tradition, die Verstorbenen in ein Leichentuch zu legen. Das machen wir, ist aber nicht auf jedem Friedhof möglich. Ein muslimisches Grab kostet etwa doppelt so viel wie ein normales Grab, weil auch da die Grabwände rundum mit Holz ausgeschlagen werden müssen, sozusagen als Sargersatz. Auch obenauf werden Bretter gelegt.

? Bieten Sie weitere Bestattungsformen an?
Bei der Seebestattung gibt es zwei Varianten. Grundbedingung ist eine Urne, die wir an die entsprechende Reederei übergeben. Bei der Bestattung kann die Familie dabei sein und mit dem Schiff an den ausgewählten Ort auf See fahren. Die Seeurnen sind den üblichen Urnen optisch gleich, nur aus einem anderen Material, das sich schneller auflöst. Reedereien bieten Angehörigen an, einmal im Jahr wieder an diese Stelle mitzufahren. Das ist natürlich auch eine Kostenfrage. Wir haben schon erlebt, dass zwischen den Angehörigen dadurch eine Freundschaft entsteht.

? Welche Möglichkeiten haben Eltern von Sternenkindern?
Rottweiler Eltern von Kindern, die zu früh und zu klein tot geboren werden, können jetzt einmal im Jahr eine Sammelbestattung nutzen. Dazu gibt es kleine Steinchen, auf denen die Namen stehen. Hat ein Kind aber nach der Geburt noch kurze Zeit gelebt, bestatten wir sie entweder in einem Kindersarg oder wir besorgen Weidekörbchen, die gern genommen werden, weil sie einfach schön aussehen. Die Bettwäsche lassen wir extra dafür zum Selbstkostenpreis nähen.

? Welche Extrawünsche für Trauerfeiern sind Ihnen noch in Erinnerung?
Wir ermuntern sogar die Leute, sich zu trauen und besondere Wünsche zu äußern. Beispielsweise hat jetzt ein Ehepaar einen Vorsorgevertrag mit uns abgeschlossen und sich die Pace-Flagge auf dem Sarg gewünscht. Für einen verstorbenen VfB-Fan haben wir die gesamte Trauerfeier entsprechend ausgestaltet. Selbst einen Sarg aus einem 3-D-Drucker hatten wir schon dabei.

? Was war denn für Sie persönlich eine außergewöhnliche Bestattung?
Wir haben mal ein Mitglied der Hells Angels bestattet. Das war ein besonderes Erlebnis. Bei der Fahrt zum Friedhof stand auf einem roten Pick-up der Sarg sichtbar mit vielen Blumen. Dahinter fuhr ein Motorradkorso mit 200 Motorrädern. Die Trauerfeier war vor der Kapelle, die Tochter, ein Mitglied der Hells Angels und unser Chef haben geredet. Und ich habe diese Menschen als sehr liebevoll, rücksichtsvoll und höflich erlebt. In der Großstadt mag es anders sein. Da hört man von Klischees, die ich überhaupt nicht bestätigen kann.

? Was sind die ersten Schritte, wenn Ihr Telefon klingelt?
Viele Angehörige sind sehr gefasst. Aber wir wissen auch, dass Trauer in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Plötzlich Alleinstehende tun sich schwer mit der Situation. Wenn wir spüren, dass jemand mutterseelenallein ist, vielleicht eine Trauerbegleitung braucht, dann kümmern wir uns wenn es gewünscht ist. Wichtig ist, dass wir ein bisschen aufpassen, damit niemand allein ist. Für uns gehört es dazu, Hinterbliebenen bei der Überwindung des Schocks Hilfestellung zu geben, zu unterstützen, damit sie wieder in ihren Alltag kommen. In den ersten Wochen ist das wichtig. Dafür schreiben wir auch keine Rechnung. Bestatter ist ein Lehrberuf, aber wer keine Empathie mitbringt, ist fehl am Platz.

WEITERE INFORMATIONEN:
Bestattungsgesellschaft HAFA mbH
78628 Rottweil
Telefon: (0741) 23 666
www.bestattungen-hafa.den

 

Trauer hat leider oft keinen Platz in unserer Gesellschaft.

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Elke Marschall
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Individuell gestaltete Körbchen und Kissen für die Bestattung von Sternenkindern.
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