Magazin | Wir waren unterwegs

Die Bundesgartenschau der Superlative

Angekommen in Heilbronn. Mühelos – es gibt gute Leitsysteme – war die Fahrt mit dem Auto zum Parkplatz am BUGA-Eingang Wohlgelegen (es gibt insgesamt drei Eingänge). Es ist Bundesgartenschau und bunt soweit das Auge reicht.

Schon am Eingang erfahren wir, dass auf dem Gelände viele Trinkbrunnen mit kühlem Wasser stehen. Hier muss niemand Durst und Hunger leiden. Ein Blick in den Faltplan zeigt viele Gelegenheiten zum Essen und Trinken. Und noch etwas steht an diesem Eingang: Rollstühle, Rollatoren (auch elektrische) und Bollerwagen mit und ohne Dach werden kostenlos gegen Pfand ausgeliehen. Zusätzlich stehen 6E-Dreirad-Roller – diese allerdings kostenpflichtig – zur Ausleihe zur Verfügung. Bereits bei Planungsbeginn war klar, dass Barrierefreiheit und Inklusion ohne Kompromisse in die Gestaltung einbezogen werden.

Um 9 Uhr können Besucher auf das Gelände. Also Karten gekauft und Neugier auf das Gelände, das sich natürlich nicht auf den ersten Blick überschauen lässt. Wo anfangen, wohin zuerst? Auf dem nahen Neckar legt ein Schiff-Shuttle am so genannten Hafenplatz an. Die Fahrt ist kostenlos und eine gute Gelegenheit hier den Tag zu starten. Einen besseren Überblick kann man nicht bekommen. Wir steigen an der wenige Schritte vom Eingang entfernten Anlegestelle ein. Der erste Zwischenhalt ist an der Alten Reederei – eine große Gaststätte mit Bedienung und Selbstbedienung. Innen und auf den Terrassen ist reichlich Platz. Wir merken uns das Restaurant für die Mittagsrast und erleben später bei leckerem Essen ein auffällig freundliches Personal. Doch noch bleiben wir auf dem Schiff, fahren weiter bis zum Ende der Strecke am Campuspark – auch hier sind Ein- und Ausstieg möglich – und anschließend wieder ohne Halt zurück zur Anlegestelle Hafenplatz. Eine komplette Runde dauert zirka 45 Minuten und ist eine wunderbare Option für den Start unseres Rundgangs.
Jetzt haben wir einen kleinen Überblick bekommen und entscheiden uns für den Fußmarsch auf einem Holzsteg über das Wasser unterhalb des Nabu-Bereich mit den naturbelassenen Gärten. Hier werden die Pflanzen ihrem Lebenslauf vom Blühen zum Verblühen überlassen und werden nicht von den 30 BUGA-Gärtnern aufgehübscht und verschnitten. Am Neckarufer steht das Schiff „MS experimenta“ für spezielle Veranstaltungen und als Lockvogel für einen Besuch der Experimenta (Wissens-und Erlebniswelt mit 275 interaktiven Exponaten etc.), die sich unmittelbar am BUGA-Ein- und Ausgang Innenstadt anschließt. Wer zwei Tage Heilbronn einplanen kann, sollte den Besuch auf seine Agenda schreiben.

Unser Holzsteg endet kurz vor einer plätschernden, 12 Meter breiten und 50 Meter langen Wassertreppe. Hunderte Füße hängen vom Rand an diesem warmen Sommertag hinein ins kühle Nass. Eine angenehme Erfrischung. Daneben ein Spielplatz vom Feinsten. Schade, dass wir keine jüngeren Kinder dabei haben, da könnte man sich leichter trauen mitzuspielen. Gegenüber steht ein dicht belagerter Eiskiosk, wir nutzen zum erste Mal den Trinkbrunnen.

Unser Weg führt weiter zum Karlssee vorbei am Sandstrand locken von Weitem Musik und Fontäne und eine Kletterfelsen für Geübte und weniger sportliche mit jeder Menge Spaß und Anstrengung. Wir entscheiden uns fürs weniger Anstrengende, laufen die bequemen Treppen (barrierefreier Zugang zum Damm ist auch möglich) und warten von oben auf die nächsten tanzenden Fontäne mit und nach Musik, die alle halbe Stunden auf zirka 120 Metern Länge zu bewundern sind. 160 größtenteils bewegliche Fontänen schwingen im Walzertakt . . . einmalig schön. Donnerstags, freitags und samstags läuft bei Einbruch der Dunkelheit eine multimediale Abendshow auf dem See. Wer die Chance hat und in Heilbronn übernachtet, sollte sich das nicht entgehen lassen. Von der Dammkrone – hier ist der einzige Fahrradweg integriert – hat man einen tollen Rundblick. Unser Auge bleibt an einer weißen Skulptur hängen. „Hoop-La“ nennt die Künstlerin ihre großformatige Stahlplastik, die etwas von ständig in Bewegung und Schwerelosigkeit hat. Dann lockt uns ein bunter Flecken mit seinem Weiß, Gelb, Orange, Tiefrot bis Lila … der Rosengarten ist in Sicht.

Auf feinkörnigem gelben Kies, zwischen sanften Hügeln, ein Augenschmaus der besonderen Art. Mittendrin erwischen wir einen leeren gemütlichen Strandkorb… erst einmal die Augen verwöhnen. Im Areal der Duftrosen steht nicht nur eine Käthchen-Statue sondern auch die duftende Edelrose „Käthchen von Heilbronn“. Nur ein kleines Stück entfernt locken große blau-weiße Kissen. Auch sie gehören zu den vielen im Gelände stehenden Skulpturen. Die Kissen aus LKW-Planen liegen wie Wolken auf dem Hügel. Für viele eine willkommene Gelegenheit für eine Pause. Wir überreden uns zum Weitergehen, schließlich wollen wir viele Eindrücke sammeln. Uns locken im Faltblatt die Nummer 31 und 36, der bionische Faserpavillon und der bionische Holzpavillon. Was steckt wohl dahinter?

Zuerst stehen wir unter dem Faserpavillon, eine Leichtbaukonstruktion aus Faserverbundkomponenten. Das bionische Vorbild waren Käferflügel, deren Statik und Festigkeit untersucht wurden. Die Einzelteile sind sozusagen Knochen, die 80 Kilogramm wiegen, aber 25 Tonnen tragen können. Diese Knochen wurden zu einem Gehäuse verschraubt. Ein paar Schritte weiter steht der bionische Holzpavillon. Sein Vorbild aus der Natur war das Gehäuse eines Seeigels, nachgestaltet mit verschiedenen Kassettenteilen von denen keines gleichgroß ist. Die Segmente bestehen aus hohlen Kassetten, die aus Platten und Balken im robotischen Prozess gefertigt wurden. Die Maße sind so unterschiedlich und mussten am Ende sehr präzise sein, so dass ein Schreiner die Arbeit nicht mehr hinbekommen hätte. Das Forschungsprojekt gehört zur Uni Stuttgart, die damit neue Baumaterialien vorstellen möchte.

Es ist Mittagszeit. Wir nehmen Kurs auf die Alte Reederei. Zwischendurch ist ein kleiner Stopp an der Skulptur Monumental Quan zwingend. Die lebensechte Schwimmerin auf einem weißen Ball schwebt vielleicht aus dem Wasser, auf der Haut Wassertropfen … genaues Hinsehen lohnt sich… einfach faszinierend. Am Wegesrand – beim Gang zum Essen locken rechts und links des Weges Blumenbeete in allen Farben – stehenbleiben, riechen, fotografieren, einfach erleben. Beim Gang über die hügelige Sommerinsel wird auf der anderen Seite der Blick auf den Floßhafen frei.

Nach dem Mittagessen laufen wir zwischen Neckar und dem neu erbauten Stadtquartier „Neckarbogen“. Der erste Abschnitt mit 22 Gebäuden, einer Jugendherberge, Gastronomie, Handel, Dienstleistern und grünen Innenhöfen steht bereits. Auffällig ist die abwechslungsreiche Architektur. Inzwischen wohnen bereits weit über 500 Menschen hier. Fast noch einmal so viele kommen dazu. Da kann schon ein bisschen Neid aufkommen. Übrigens steht hier auch das höchste in Deutschland existierende Hochhaus aus Holz (im Vordergrund) mit 34 Metern Höhe und zehn Stockwerken. Im Eingangsbereich ist ein Café.

Im Wohnquartier Neckarbogen sind viele interessante Haltepunkte, auch der witzige mit der Nummer 77: das sogenannte Materiallabyrinth mit Handtaschen aus Ananasfasern, Schuhen aus Beton, Kaffeegeschirr aus Kaffeesatz… Unser Weg führt weiter Richtung Campuspark – hier auf der linken Seite mit interessanten Mustergräbern, die nicht nur Tipps für die Bepflanzung sondern auch tolle Steinmetzarbeiten zeigen – und über die Forscherinsel mit Stauden, Gehölzen und zauberhaftem Sommerflor zum Ein- und Ausgang Innenstadt. Immer wieder entdecken unsere Augen etwas Ungewöhnliches, die Skulptur Hasenschranke und der Hingucker schlechthin: Die Allltagsmenschen „Duscher“, die wir erst auf den zweiten Blick als Skulpturen erkennen – unglaublich lustig, die einzelnen Typen. Übrigens: In dieser „Ecke“ der Gartenschau haben wir unter der Nummer 7 den I-Punkt Grün gefunden. Wer sich für das gedeihende Grün daheim gern beraten lassen möchte, ist hier an der richtigen Adresse.

Kurze Pause im Inklusions-Café Samocca. Ein heißer Tipp: Hier gibt es einen hervorragenden Kaffee und Kuchenstücken, die keinen Vergleich scheuen müssen – einfach umwerfend lecker. Eines müssen wir an der Stelle unbedingt rüberbringen: Wir haben nur zwei Gastronomiemöglichkeiten von all den vielen Angeboten genutzt: Die Alte Reederei und das Inklusions-Café. Beides war unbedingt empfehlenswert, doch wir kennen die anderen nicht.
Unser Weg führt immer weiter, immer weiter … wir haben so vieles noch nicht gesehen. Keine Müdigkeit, aber wir suchen einen größeres Schattenareal. Da sind uns der frühere Fruchtschuppen mit seinen ständig wechselnden faszinierenden Blumenschauen – floristischer Kunst so weit das Auge reicht – ein Shop und der Treffpunkt Baden-Württemberg gerade recht.

Gegenüber lockt der Schatten spendende Pappelwald im Inzwischenland. Hier sind die vielen Themengärten, in denen man magisch von einem in den anderen gezogen wird – beispielsweise der essbare Garten, Pilzgarten, Zwergenkabinett, Schlingergarten, Apothekergarten, Bienengarten, Salzgarten… man kann nicht alles beschreiben, man muss einfach dort gewesen sein. Und sich vielleicht ab und zu mal auf einem der vielen Sitzgelegenheiten einen kurzen Moment Ruhe gönnen. Die Vielfalt muss das Gehirn erst mal verarbeiten.
Es ist unvorstellbar, dass auf dem Gartenschaugelände früher ein ziemlich verwahrlostes Gebiet von Heilbronn mit Schuppen, Lagerhallen und Abfall ohne Ende vor sich hin verrottete. Die Planung zur BUGA begannen bereits 2006, Baubeginn war 2013. Tonnenweise Kampfmittel aus dem Krieg und jede Menge Abfall mussten weggeräumt werden. Insgesamt wurden 600.000 Kubikmeter Erde bewegt. Daraus entstand die Sommerinsel und der Damm mit mehreren Funktionen, unter anderem auch als Lärmschutzwall für die Bewohner im Wohnquartiers Neckarbogen,

Unsere Vorschläge, Ideen für Rundgänge und das was man unbedingt gesehen haben muss, sind natürlich subjektiv, willkürlich etwas herausgepickt aus all dem Sehenswerten. Ansonsten wäre es ein Buch geworden. Am Abend bei der Heimfahrt fällt es uns schwer, ein Lieblingserlebnis herauszufinden. Das geht bei der Vielfalt schlichtweg nicht. Wir haben uns der Meinung eines Ehepaars am Ausgang angeschlossen… wenn wir in Heilbronn wohnen würden, hätten wir eine Dauerkarte. Dann könnte man noch…. in lauschigen Ecken ein Buch lesen, Musik über die Kopfhörer hören, stundenlang den Garten auf Zeit genießen …

Schöner kann ein Sommer nicht sein

Fotos: Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH und Steffi Findeisen

Bundesgartenschau Heilbronn kurz und bündig:

  • Die Gartenschau ist täglich ab 9 Uhr bis zum 6. Oktober 2019 geöffnet.
  • Es gibt drei Eingängen: Eingang Wohlgelegen mit großem Parkplatz mit Behinderten-Parkplätzen, Bus-Shuttle und Taxihaltestelle. Eingang Innenstadt mit Behinderten-Parkplätzen, Shuttle-Bus über Parkplatz Theresienwiese  (mit Behindertenparkplätzen) , Bus- und Stadtbahn-Haltestelle. Eingang Campuspark mit Bushaltestelle Europaplatz.
  • Das eingeschränkt rollstuhl-gerechte Schiff-Shuttle im Gelände der BUGA ist kostenfrei.
  • Am Eingang Innenstadt gibt es eine Informationen in Gebärdensprache. Geländepläne an den Eingängen sind ertastbar. Über das gesamte BUGA-Gelände gibt es u.a. einen rollstuhl-gerechten Rundweg.
  • Zwischen den Eingängen Wohlgelegen und Innenstadt sowie den Parkplätzen Wohlgelegen und Theresienwiese fahren kostenlose, rollstuhl-gerechte Shuttle-Busse.
  • Menschen mit Behinderungen können auch einen gesonderten Plan mit speziellen Hinweisen bekommen.
  • An den Eingängen Wohlgelegen: Rollstühle, Rollatoren (auch elektrische) und Bollerwagen mit und ohne Dach werden kostenlos gegen Pfand ausgeliehen. Zusätzlich stehen 6E-Dreirad-Roller – diese allerdings kostenpflichtig – zur Ausleihe zur Verfügung. Der elektrische Rollator kann am Eingang Wohlgelegen kostenlos ausgeliehen werden. Rollstuhl-Schieber können ebenfalls gebucht werden, eine Anfrage ist mindestens 5 Tage vorher erforderlich (07131/2019).
  • ÖPNV-Bus und ÖPNV-Stadtbahn: Besucher mit 1- und 2-Tageskarten können am Besuchstag in Bussen und Bahnen vom Heilbronner Verkehrsverbund HNV und vom Kreis-Verkehr Schwäbisch-Hall kostenlos zur BUGA und zurück fahren.
  • Mit einer App "Actionbound" kann man sich über den barrierefreien Rundweg führen lassen. "Actionbound" im Play Store/App Store runterladen. Dann den Bound "BUGA 2019 barrierefrei" wählen. Infos gibt es als Text, in Gebärdensprache und als Audio-Datei.
  • Das Gelände der Bundesgartenschau hat fünf große Themenbereiche: Die Forscherinsel, die Stadt im Werden, das Inzwischenland, die Sommerinsel, und die neuen Ufer. Außerdem im Angebot: verschiedene Konzerte, Sportstätten, Veranstaltungen, Mitmachangebote für Kinder, wöchentliche Wassershows auch am Abend, Kunstwerke für Liebhaber, innovative Themenbereiche zu zukunftsweisenden Baustoffen und autonomes Fahren, ständig wechselnde Blumenschauen etc.

Unser Unterwegs-Erlebnis: Eine Erfahrung für alle Sinne auf der Bundesgartenschau in Heilbronn:

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Sie liegen wie Wolken auf dem Hang ... die Sitzkissen für die Pause zwischendurch.
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In geschützten Vitrinen mitten im Pilzgarten: gezüchtete Kräuter-Seitlingen.
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Mehrmals am Tag spielt hier die Musik - und die Wasserfontänen tanzen dazu.
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Der bionische Holzpavillon. Sein Vorbild aus der Natur war das Gehäuse eines Seeigels.
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Rosen... in allen Farben und Düften
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"Leben schmecken" eine Skulptur im Kirchengarten im Inzwischenland
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Ein lustiges "Bild" in der Blumenschau "Feel the heart beat" - vielleicht unter dem Thema: "Wer wird der erste im Pflanzenmeer?"....
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Stahlskulptur "WE" verweist auf tiefer gehendes Interesse an Sprache und Schrift.
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Am Kletterfelsen entscheiden wir uns für das weniger Anstrengende: Die bequemen Treppen.
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Auf dem BUGA-Gelände stehen viele Trinkbrunnen zum Flasche auftanken.
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„Hoop-La“ nennt die Künstlerin ihre beeindruckende großformatige Stahlplastik auf der Dammkrone und schon von Weitem sichtbar.
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Fontänen nach Musik, im Hintergrund das neue Wohnquartier Neckerbogen mitten auf der BUGA.